Familie und binationale Ehe
    Inhalt:
    Deutsch-ägyptische Ehen – Auswertung von Gesprächen
    Deutschsprachige Frauen in Kairo erzählen
    Damals war's: Ich heiratete einen Ägypter
    Kurze Meinungsäußerungen von Kindern aus binationalen Ehen
    Buchbesprechung: Betty Mahmoudy – "Nicht ohne meine Tochter"
    "Deine Landsmännin versteht dich" – aus "Al Akhbar"
    "Sie" (Heyya) – nach einem "Al-Ahram"-Artikel
    Individuelle Sicherung durch Versicherung
    Geschichte einer Ehe
    Persönliche Betrachtungen über das Wesen Ehe und binationale Ehen
    Beate trifft Mahmud, Anne ist unzufrieden mit Ahmed, Eva und Ali...
    Religionsverschiedene Ehen

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Deutsch-ägyptische Ehen
Auswertung von Gesprächen mit deutschsprachigen Frauen, die mit Ägyptern verheiratet sind
von Barbara Hatour-Satow

Papyrus-Logo Nr. 1/86, pp. 4—7

Nicht zuletzt Schlagzeilen deutschsprachiger Boulevardblätter prägen das Bild von der im Orient verheirateten deutschsprachigen Frau. Skandalgeschichten gibt es – ab und zu –, aber wie sehen die anderen "Geschichten" aus? Über 50 mit Ägyptern verheiratete deutschsprachige Frauen, die in Kairo leben, sollen hier zu Wort kommen. Es sind Frauen, die durch deutsche Institutionen erreichbar und bereit waren, Auskunft zu geben. Die Erfahrungen und Meinungen der Frauen, die z.B. in Gegenden leben, in denen sie nur schwer Kontakt zu anderen Deutschen haben können oder die diesen Kontakt bewußt meiden oder deren Männer ihn nicht wünschen, müssen hier leider unberücksichtigt bleiben. Die Auswahl ist somit nicht repräsentativ für die auf ca. 3.000 geschätzten Frauen, die als Gruppe nirgends erfaßt sind. Das Bild, das auf den folgenden Seiten von deutsch(sprachig)-ägyptischen Ehen widergegeben wird, ist daher mit Wahrscheinlichkeit zu positiv, da man davon ausgehen kann, daß die Nicht-Berücksichtigten diejenigen sind, die mit schwierigeren Umständen fertig werden müssen als die hier Dargestellten.

Die meisten der Befragten – von der Auswahl unbeabsichtigt – sind schon 10 Jahre und länger in Ägypten und ebenso lange verheiratet, ganz wenige erst drei Jahre und weniger. Ihre Männer haben sie fast ausschließlich in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder einem anderen Land als Ägypten kennengelernt. Fast alle Männer sind Akademiker und haben mindestens 5 Jahre in Europa gelebt, kennen also die Heimat ihrer Frauen gut.

Die Frauen haben vorwiegend einen Fachschulabschluß, viele haben aber auch die Universität mit Erfolg abgeschlossen. Der Ehe mit einem Ausländer standen die meisten der Eltern neutral gegenüber, von denen, die nicht neutral waren, waren wesentlich mehr dagegen als dafür.

Die meisten der befragten Frauen waren für die Umsiedlung nach Ägypten, und wenn sie ihre heutigen Lebensumstände in Ägypten schon damals gekannt hätten, hätte es an ihrem Entschluß nichts geändert. Doch wenn sie ihren Wohnort frei wählen könnten, würden sich die meisten für ihr Heimatland entscheiden. Mit der Länge des Aufenthaltes verliert das Ausland den Reiz des anderen – das Abenteuer ist längst zum Alltag geworden – und mit zunehmendem Alter scheint eine wachsende Sehnsucht zurück in die Heimat einherzugehen, die nicht selten verklärt wird.

Fragt man jedoch konkreter, so ziehen es die meisten vor, mit ihren Männern in Ägypten zu leben. Ein sehr wesentlicher Grund ist, daß ihre Männer und auch ihre Kinder als Ausländer in der BRD etc. zunehmend weniger gern gesehen sind, anders als in Ägypten, wo die deutschsprachigen Frauen und ihre Kinder keinerlei Probleme haben. Auch existentiell fühlt man sich angesichts der sich verschlechternden Arbeitslage in Europa im Heimatland des Mannes gesicherter. Zudem halten sich die Frauen für anpassungsfähiger und opferbereiter.

Die schwierigste Zeit in der neuen Heimat ist für die meisten das erste Jahr, manchmal auch das zweite. Viele wohnen in dieser Zeit erst einmal mit der Familie des Mannes, von der sich fast alle "sehr freundlich" aufgenommen fühlen, was aber nicht heißt, daß ein Zusammenleben nicht doch schwierig ist. Der Mann hat Probleme, sich nach längerer Abwesenheit wieder zurechtzufinden und eine neue Existenz aufzubauen. Die Frauen beherrschen die Sprache nicht, die neue Umgebung und die noch unverstandenen Sitten lassen sie sich fremd und oft sehr einsam fühlen.

Nach dem ersten Jahr jedoch lebt so gut wie keine der Befragten mehr mit der Familie des Mannes. Materiell fühlen sich heute die meisten nicht schlechter gestellt als zu Hause, wenige meinen, sie seien besser und ebenso viele, sie seien schlechter gestellt. Die Bedeutung eines gewissen Lebensstandards ist nicht zu unterschätzen; das zeigt sich daran, daß diejenigen, die nie nach Ägypten gekommen wären, hätten sie ihre Lebensumstände hier gekannt, fast ausschließlich diejenigen sind, die sich hier materiell schlechter gestellt fühlen als zu Hause!

Für ägyptische Verhältnisse leben die meisten gut – für die in den letzten fünf Jahren nach Ägypten Geheirateten scheint dies jedoch immer weniger zuzutreffen, da es auch hier schwieriger geworden ist, sich neu zu etablieren. Heute lernen deutschsprachige Frauen ihre Männer oft kennen, wenn diese sich wegen Kurzzeitjobs in Europa befinden oder die Frauen Ägypten als Touristen bereisen. Diese Männer haben seltener einen Auslandsstudienabschluß und stammen meist aus weniger vermögenden Familien. Die Befragten dagegen leben in einer Wohngegend, die sie überwiegend als gut bis sehr gut einschätzen – die Wohnsituation als "Insel des Rückzugs" wird für besonders wichtig gehalten – sie haben meist Haushilfen, es sei denn, sie wünschen keine, und fast alle besitzen mindestens ein Auto.

Was jedoch jede fünfte am meisten in Ägypten vermißt, ist die soziale Sicherheit. Die wenigsten haben eine Kranken- oder Lebensversicherung. Rentenversichert sind kaum mehr als die Hälfte, entweder in Ägypten oder in ihrem Herkunftsland. (Siehe hierzu den Beitrag "Individuelle Sicherung durch Versicherung" –Anm. KFN.) Ein Ehevertrag, der im Falle einer Trennung den Anspruch auf eine existentiell nennenswerte Summe Geldes oder/und Eigentum enthält, wurde nur in seltenen Fällen abgeschlossen (im Gegensatz zu ägyptisch/ägyptischen Ehen). Die soziale Absicherung ist so, daß die überwiegende Zahl der Frauen voraussichtlich im Alter auf ihre Kinder angewiesen sein wird. (Siehe hierzu den Beitrag "Das Schlimmste war der Ehevertrag..." –Anm. KFN.).

Außer sozialer Sicherheit vermissen die in Kairo lebenden deutschsprachigen Frauen nach Häufigkeit der Nennungen: Ruhe, Wald, Spaziergänge, Freizeitmöglichkeiten, Sauberkeit, europäische Kultur, ihre Familie und Bewegungsfreiheit; besonders diejenigen, die nicht aus einer Großstadt kommen, leiden unter der räumlichen Enge und der unreinen Luft. Zwar fühlt sich über die Hälfte der Befragten nie in ihrer Freiheit eingeschränkt, jede vierte jedoch fühlt sich oft unfrei. Frauen, für die Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit von großer Wichtigkeit sind, fühlen sich z.B. eingeengt durch das Angewiesensein auf ihren Mann in schriftlichen und behördlichen Angelegenheiten – nach eigener Beurteilung haben nur die wenigsten mittelmäßige Kenntnisse der arabischen Schrift, die anderen schlechte oder keine oder durch die Rücksichtnahme auf eine Gesellschaft, in der eine Frau, die öfters abends alleine aus dem Haus geht, leicht ihren guten Ruf riskiert, was wiederum vielen Ehemännern nicht gleichgültig ist. Der Mangel an gemütlichen Cafés, angenehmen Kinos, bequemen Einkaufsmöglichkeiten und problemlosen öffentlichen Verkehrsmitteln hält viele mehr im Haus als das vielleicht in Deutschland etc. der Fall wäre. Eigene Berufstätigkeit ist nicht nur in finanzieller Hinsicht manchmal notwendig, sondern bietet auch die Möglichkeit, den eigenen vier Wänden zu entfliehen und am Arbeitsplatz mit anderen Deutschsprachigen in Kontakt zu kommen. Von den Männern wird sie oft begrüßt. Selbständigkeit der Frau wird geschätzt, sofern sie nicht zu weit geht – darin sind sie sich mit anderen Männern einig.

Der allgemein größere Mangel an Gelegenheiten hält auch die Männer mehr im Haus – wenn auch viele Frauen klagen, daß ihre Männer hier zeitlich mehr arbeiten müssen. Die Unzufriedenheit, die aus ungenutzten Gelegenheiten entsteht, ist hier geringer, und die Eheleute gehen weniger getrennte Wege. Ägyptische Männer werden als familienbezogen – "für die Familie, besonders die Kinder tun sie alles" – und häuslich erlebt. Außer gelegentlichem Sport haben sie selten Hobbies, da sie bei dem hiesigen Schulsystem kaum Zeit hatten, solche zu entwickeln. Nach einem anstrengenden Arbeitstag sehen sie oft nur noch fern oder umgeben sich mit Familie und Freunden. Sie sind gesellig und humorvoll.

Der Einfluß der ägyptischen Familie hängt oft von der Stellung des Mannes ab und seinem Durchsetzungsvermögen. Ist er der Älteste, ist er verantwortlich für die jüngeren Geschwister auch eventuell finanziell; ist er der Jüngste, muß er öfter für die Älteren springen. Für den Mann ist es nicht immer einfach, zwischen seiner ägyptischen Familie und seiner ausländischen Frau zu vermitteln. Andererseits wird aber auch die Familie der Frau jedes Jahr wieder wochenlang gastfreundlich aufgenommen.

Mit Personal oder einer aufopfernden Mutter aufgewachsen, lassen sich die Söhne gern wie gewohnt bedienen. Sie sind, nach Aussage der Frauen, oft großzügig und gutmütig; doch auch wenn die Frau die Macht innerhalb der Familie hat, wollen die Männer von ihr diplomatisch genug behandelt werden, um das Gesicht wahren zu können und nach außen hin das letzte Wort zu haben.

Eifersucht und ein gewisser Besitzanspruch von seiten des ägyptischen Mannes ist vielleicht für manche deutschsprachige Frau am schwierigsten zu akzeptieren; dagegen wird eine Toleranz begrüßt, die den anderen sein läßt wie er ist, ohne an ihm "herumzunörgeln". Oft unerwünschte Bevormundungen von seiten des Mannes bedeuten nicht, daß sich die Frauen nicht durchaus als Mensch und Ehefrau von ihrem Mann anerkannt, meist auch geliebt fühlen. Manche Frauen vermissen es, in die Probleme ihres Mannes eingeweiht zu werden, seine Sorgen nicht teilen zu können, empfinden sie als Geringschätzung und mangelndes Partnerschaftsverständnis und nicht – so die Argumentation der Männer – als Rücksicht dem anderen gegenüber, ihn nicht mit Eigenem zu belasten. Nach Lust und Laune zu handeln, anstatt zu planen und sich verplanen zu lassen, begrüßen manche Frauen als Spontaneität. Andere können sich schwerer darauf einstellen.

Deutsch-ägyptische Ehen werden von Betroffenen fast ausschließlich für "gleich glücklich" wie deutsch-deutsche Ehen gehalten. Trotzdem würde keine einer Freundin, die eine solche Ehe eingehen möchte, zuraten; einige würden abraten, die meisten sich neutral verhalten. Ehe mit Ausländern sind kräftezehrender, und unglückliche Ehen verlaufen sehr viel tragischer. Wer einen Ägypter heiraten möchte, sollte nach Meinung der Frauen vor allem über die Rechtslage, die schwierige wirtschaftliche Lage und die Bedeutung der Großfamilie informiert werden.

Nach über zehn Jahren Ägypten haben zwar viele Frauen Sehnsucht nach "zu Hause", sind sie aber – meistens im Sommer – dort, finden sie sich auch nicht mehr ganz zurecht. Irgendwo zwischen zwei Welten sind auch ihre Kinder. Spricht man mit 9- bis 10-Jährigen, scheint die Welt noch in Ordnung: sie sind untereinander gut befreundet, finden es "toll" deutsch und arabisch sprechen zu können – wenn sie auch oft über die Doppelbelastung durch die beiden Schulsysteme klagen – sind am liebsten im Sommer in Deutschland bzw. Österreich oder Schweiz und im übrigen hier, wo sie aufgewachsen sind. Nachteile sehen sie keine, und sofern sie auf eine deutsche Schule gehen, kämpfen sie auch nicht mit dem Problem, Außenseiter zu sein. Anders, wenn sie auf ägyptische Schulen gehen. Da kann es vorkommen, daß sie von ihrer ausländischen Mutter nicht abgeholt werden möchten, um nicht aufzufallen.

14- bis 16-Jährige dagegen sind nachdenklicher. Die Klassen scheinen sich in Deutsche und Ägypter aufzuteilen und die "Gemischten" fühlen sich in diesem Alter mehr zu den Ägyptern hingezogen. Nicht zuletzt, weil die Deutschen immer nur ein paar Jahre bleiben und man wiederholten Trennungsschmerz vermeiden will. Besonders für Mädchen entstehen Konflikte dadurch, daß sie weniger Freiheiten haben als ihre Brüder und als sie z.B. in Deutschland hätten. Manche möchten nun lieber anderswo leben. (Obwohl das Leben mit einem ägyptischen Vater in einem freieren Land eventuell konfliktreicher ist.)

Die häufigsten Auseinandersetzungen mit ihren Ehemännern haben die Frauen über Kindererziehung, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Weltanschauung, Familie des Mannes und Geld. Trotz der Probleme, die das Zusammenleben zweier Menschen aus verschiedenen Kulturen mit sich bringt – und den Alltagsproblemen in einem sogenannten Entwicklungsland –, scheinen deutsch-ägyptische Ehen (in Ägypten) haltbarer zu sein als deutsch-deutsche (eine Statistik darüber scheint nicht zu existieren). Aus der größeren Dauer ist jedoch nicht unbedingt zu schließen, daß diese Ehen glücklicher sind. Eine Trennung hier ist um sehr vieles folgenreicher: die rechtlichen Probleme v.a. in Bezug auf die Kinder, die finanzielle ungesicherte Lage, die Entfremdung vom Heimatland bzw. die Schwierigkeiten bei der Rückgliederung.

Doch bleiben die Frauen in der Mehrheit nicht, weil sie keine ändere Möglichkeit haben. Viele finden, daß Scheidungen in der Bundesrepublik etc. zu leicht gemacht werden, da sich der eine oder andere im Bekanntenkreis dort aus unverständlichen Nichtigkeiten heraus hat scheiden lassen. Überhaupt möchte man mit den Ehen der dortigen Freundinnen nicht tauschen, man empfindet sie als langweilig. "Hier muß man sich mit dem Ehepartner arrangieren", "man hat zuviel gekämpft, um sich trennen zu können", positiv sieht man, daß aus Krisen oft reifere Beziehungen wachsen.

Eine Ehe zwischen Angehörigen sich fremder Kulturen verlangt Anpassungsfähigkeit, Toleranz und Einfühlungsvermögen und die Stärke, sich nicht aufzugeben.

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Deutschsprachige Frauen in Kairo erzählen
von Siegrid el-Gabbas und Barbara Hatour-Satow

Papyrus-Logo Nr. 1/86, pp.8—10

I. Früher war es schöner

Frau F. lebt seit 52 Jahren in Kairo. Sie hat ihren Man während seines Pharmazie-Studiums in Österreich kennengelernt. Ihre Familie empfand es zuerst als Schande, daß sie einen Ägypter heiratete, hat sich dann aber damit abgefunden, wohl auch weil seine ganze Art besonders nett, großzügig und verständnisvoll war.

Als sie mit dem Schiff in Alexandrien ankam und dann weiter nach Kairo fuhr, war sie fasziniert von der Schönheit des Landes, von dem warmen Klima und vor allem von der Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen. "Ein freundliches Wort öffnet alle Türen hier in Ägypten", meint Frau F. und vermittelt einen Einblick in ein Kairo, wie es wohl viele erträumen.

Die Stadt war sauber und es gab längst nicht so viele Menschen. Es wurde auf Ordnung und Sauberkeit geachtet, in der Innenstadt wurden die Straßen mit Kernseife gewaschen! Man konnte am Nil spazieren gehen, es gab noch keine Rennstraßen, die sogenannten Corniches, es gab grüne Wiesen und alles wurde gepflegt. Das Haus verließ man nicht ohne Kopfbedeckung, auch mußte man Strümpfe anziehen, das war manchmal lästig und warm, aber es gehörte sich eben so.

Der Mann von Frau F. hatte ein Anfangsgehalt von 10 ägyptischen Pfund. Das mag sich heute komisch anhören, aber damals konnte man damit sehr gut leben. Für einen Piaster konnte man 10 Eier kaufen, eine Ente bekam man für 10 Piaster und einen Truthahn für 25 Piaster. Die Menschen waren sehr höflich und haben sich bemüht, daß sie sich als Ausländerin in diesem Lande wohl fühlen konnte.

Heute findet sie die Menschen auch noch nett, aber alle sind viel zu sehr beschäftigt, keiner hat mehr Zeit. Sie gibt zu, daß die Existenzprobleme im Lande heute für den einzelnen problematischer sind.

Frau F. ist seit einigen Jahren verwitwet, ihr Sohn lebt im Ausland. Sie hat versucht, wieder in Österreich zu leben, konnte aber dort nach so vielen Jahren das Klima nicht mehr vertragen und ist auf Anraten des Arztes wieder nach Kairo zurückgekehrt. Ihr Sohn besucht sie regelmäßig und auch einige Verwandte ihres Mannes, zu denen sie guten Kontakt hat.

Heute ist Kairo fremd geworden für Frau F. Es hat sich alles so schnell verändert, es gibt zu viele Menschen in den Straßen, zu viele Autos, zuviel Lärm.

Auf die Frage, ob sie es bereut hat, einen Ägypter geheiratet zu haben, kommt ein spontanes Nein. Die erste Zeit in der Ehe sei nicht einfach gewesen, sie hätte das Haus kaum allein verlassen dürfen, aber nach einigen Jahren hätten sie einander sehr gut verstanden, überhaupt sei ihre Beziehung mit der Zeit immer besser geworden.
"Es war eine schöne Zeit", sagt Frau F. und man kann es ihr glauben.

II. Man sollte dem Neuen gegenüber offen sein

Frau N. lebt seit 1967 in Kairo. Ihr Mann war ein Studienfreund ihres Bruders und kam oft zu ihnen nach Hause, so konnten sie einander zwanglos kennenlernen. Frau N. blieb bis zur Geburt ihres ersten Kindes berufstätig und kam dann mit ihrem Manne, nach Beendigung seines Studiums als Bauingenieur, nach Kairo. Sie empfand die Übersiedlung als einen neuen Lebensabschnitt nach dem anstrengenden Berufsleben und freute sich, nun einmal nur Hausfrau und Mutter sein zu dürfen.

Es war von Anfang an klar, daß sie mit der verwitweten Schwiegermutter in der großen Familienwohnung wohnen würde, da sich ihr Mann für seine Mutter mitverantwortlich fühlte. Frau N. wurde sehr herzlich und sehr freundlich in der Familie ihres Mannes aufgenommen. Einige Schwierigkeiten machten ihr zunächst die orientalische Lautstärke und das Verhalten gegenüber dem Hauspersonal. Dieses absolute Bedientwerden war ihr fremd und unangenehm, daß man eine bestimmte Sprache für die Dienstboten hatte, andere Kleidung und manchmal anderes Essen, konnte sie nicht akzeptieren. Es ergaben sich die ersten Probleme mit der Familie, als sie versuchte, die Dienstmädchen besser zu versorgen.

Obwohl sie mit der Familie wohnte, bestand ihr Mann von Anfang an auf getrennter Haushaltsführung. Damit war den Verwandten klar gemacht, daß sie zu ihrem Mann gehört und nicht der Familie, daß sie nur ihm verantwortlich sei und auch für alle anderen Handlungen nur ihm Rechenschaft abzulegen habe. Man konnte schlecht verstehen, daß sie die Partnerin ihres Mannes war, daß sie alles miteinander besprachen, daß es bei ihnen keine getrennte Welt nach Frauen und Männern gab, sondern eine Gemeinsamkeit.

Nachdem die Familie dies erst einmal verstanden hatte, kam sie gut zurecht und lernte viel aus diesem Zusammenleben. Frau N. spricht fließend arabisch, kennt die meisten arabischen Rezepte und hat viele gute ägyptische Freundinnen in allen Schichten.

Sie hat sich dem Leben hier bewußt angepaßt und meint, daß sie sich den Anfang schwieriger vorgestellt habe. Aber sie weiß auch, daß sie trotz aller Anpassung hier immer die Ausländerin sein wird, was auch bedeutet, daß man alles besser weiß, alles besser kann und auch belastbarer ist, aber dies empfindet sie durchaus als Aufwertung.

Da ihr Mann selbständig ist und auf Aufträge angewiesen, ist eine durchgehende finanzielle Sicherheit nicht gewährleistet. Dies ist für Frau N. kein persönliches Problem, denn sie sieht, daß es vielen hier im Lande so ergeht. Sie ist nicht materialistisch eingestellt und hat improvisieren gelernt. Engpässe in der Lebensmittelversorgung im Lande in den ersten Jahren haben sie nie bedrückt. Ich bin ein Nachkriegskind, meint sie, ich habe gelernt, mich überall zurechtzufinden.

Die Eltern von Frau N. gehörten verschiedenen Konfessionen an, worunter sie als Kind sehr gelitten hat. Um ihren Kindern diese Probleme zu ersparen, ist sie bei der Heirat zum islamischen Glauben übergetreten. Ihr Mann ist überzeugter Moslem, und sie begrüßt es sehr, daß ihre Kinder in der Familie und in der Schule im islamischen Glauben erzogen werden.

Für die Zukunft wünscht sie sich, daß das Land freier und unabhängiger werden sollte, damit das allgemeine Leben ruhiger und normaler verlaufen kann.

III. Wie soll es weitergehen?

Gaby zog ohne bestimmtes Ziel nach Asien. Sie landete für ein Jahr in Pakistan, lebte mit den Einheimischen und "erlebte und erfühlte den Islam". Zurück in Deutschland erwarb sie sich das theoretische Wissen ihrer neu angenommenen Religion. Danach lernte sie Ahmed, den damals 24- jährigen Ägypter kennen, der seine Semesterferien in der Bundesrepublik verbrachte. Ahmed war Germanistikstudent an einer Kairoer Universität. Nach drei Wochen heirateten sie.

Seit 1982 wohnt Gaby in Kairo, in einem Viertel, durch das nur selten ein Ausländer kommt. Sie, Ahmed und ihre zwei drei- und einjährigen Kinder wohnen im obersten Stockwerk des Hauses der Schwiegereltern, in dem auch alle anderen Geschwister Ahmeds wohnen. Die Eltern kommen vom Land, er ist Sohn des Bürgermeisters, sie des Lesens und Schreiben unkundig. Ahmed wurde mit zehn Jahren allein nach Kairo geschickt, damit er die höhere Schule besuchen konnte. Er lebte einmal bei diesem und einmal bei jenem Verwandten. Später zog die ganze Familie nach, so daß auch die anderen Geschwister studieren konnten. Alle leben in einem Haus, aber das "Großfamilienleben ist kaputt". "Ahmed wäre lieber auf dem Land geblieben, aber jetzt kann er auch nicht mehr zurück. Er ist entwurzelt und rastlos."

Gaby stört, daß "Äußerlichkeiten in Ägypten so wichtig sind und man nach Kleidung, Geld und Zeugnis beurteilt wird." So wird sie z.B., die Maschinenbaumechanikerin gelernt hat, von ihrem Mann gern als "Ingenieurin" vorgestellt. Ihre anfängliche Bereitschaft, "sich ganz Sitten und Gebräuchen anzupassen" hat nachgelassen, nachdem sie den Eindruck gewonnen hat, daß ihre Einfühlsamkeit "ausgenutzt wurde".

Nach seinem Studium mußte Ahmed zum Militär und verdiente LE 6,- im Monat. Anfang diesen Jahres hat er seinen 15-monatigen Militärdienst beendet und seither keine Arbeit gefunden. Außer den Grundnahrungsmitteln, für die Ahmeds Familie aufkommt, hat Gaby bisher alles Finanzielle bestritten, durch zeitweise Arbeit in Deutschland und Ersparnisse, die jetzt dem Ende zugehen. Wie es weitergehen soll, "allah allam" – "Gott weiß es".

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Damals war's: Ich heiratete einen Ägypter
von Hanna Enan
in 2 Teilen

Teil 1 Papyrus-Logo Nr. 9/89, pp. 28—31

Heute, im Zeitalter der Raumfahrt und des Massen-Ferntourismus liegt Ägypten sozusagen im Vorzimmer Europas, und eine Reise von Wien nach Kairo ist nicht aufregender als z.B. von Wien nach Klagenfurt. Ganz anders war es aber vor 60 Jahren. Was wußte man damals schon über den Mittleren Osten? Nicht viel mehr, als was man in der Geographiestunde gelernt und eventuell in Karl May-Büchern gelesen hatte. In meinem Falle war es ein bißchen besser. Mein Vater hatte Jahre zuvor einmal geschäftlich in Ägypten zu tun gehabt und wußte, daß Alexandrien und Kairo moderne Großstädte waren. Aber alle meine Freundinnen fragten doch, ob mein Bräutigam täglich sein Gewehr nähme und auf einem Kamel in die Wüste reite. Als ich ihn 1929 in Wien kennenlernte, hätte man ihn, außer durch seine etwas dunklere Hautfarbe, kaum von einem Europäer unterscheiden können. Er war Rechtsanwalt und damals schon ein bekannter Journalist, der 5 Sprachen beherrschte, darunter auch die deutsche, später lernte er dann auch noch Spanisch dazu. Er war sehr elegant gekleidet und hatte ein tadelloses Benehmen, weil er, wie er mir später erklärte, in Kairo hauptsächlich in europäischer Gesellschaft verkehrte. Er war sehr galant und kam nie ins Haus, ohne für meine Mutter Blumen und für mich irgendein Geschenk mitzubringen. Trotz Warnung, daß man vor einer Heirat doch mehr über die Lebensverhältnisse des Landes wissen müßte, war ich von der Idee, im Lande der Pharaonen zu leben, begeistert. Meine Hochzeit mußte zweimal vollzogen werden; da mein Mann Moslem war, mußten wir zuerst auf dem ägyptischen Konsulat den islamischen Heiratskontrakt unterzeichnen, ohne den ich in Ägypten nicht als legale Ehefrau anerkannt worden wäre, und am nächsten Tag heirateten wir dann auf dem Standesamt, denn die islamische Ehe war damals in Wien nicht rechtsgültig. Na, dachte ich mir, doppelt hält fester, und tatsächlich währte meine Ehe bis zum Tode meines Mannes 56 Jahre. Auf unserer Hochzeitsreise durchquerten wir Italien von Venedig bis Neapel, wo wir uns dann einschifften.

Die Ernüchterung kam erst in Kairo – welch ein krasser Unterschied! Das Haus, in dem wir wohnten, war wohl groß und geräumig, aber sehr alt und primitiv. Ich, die an eine tadellos saubere Wohnung gewöhnt war, wo der Parkettboden nur so spiegelte, mußte mich damit zufrieden geben, daß der Steinboden täglich mit einem Kübel Wasser aufgewaschen wurde. Den nie endenden Staub mußte ich selbst wischen. Mit meiner Schwiegermutter, die weder lesen noch schreiben konnte, weil sie aus einem Dorf stammte, war anfangs eine Verständigung ganz unmöglich. War mein Mann nicht zu Hause, so war die einzige Person, mit der ich sprechen konnte, meine Schwägerin, damals 15 Jahre alt, die eine französische Schwesternschule besuchte. Ich war gezwungen, sehr schnell Arabisch zu lernen, um leben zu können. Gleich nach meiner Ankunft beging ich einen Kardinalfehler. Wir wohnten in einem Viertel der Altstadt von Kairo. Ich öffnete das Fenster und lehnte mich hinaus, um mir das ungewohnte Treiben zu anzusehen. Ich konnte natürlich nicht verstehen, was meine Schwiegermutter mir zuschrie (meine Schwägerin war in der Schule). Sie riß mich zurück ins Zimmer und schmetterte die Fensterläden zu. Als mein Mann heimkam, erklärte er mir, daß es für eine Frau ganz ungehörig sei, zum offenen Fenster hinauszuschauen, da man dabei ihr Gesicht sehen könnte. Wenn ich etwas auf der Straße sehen wollte, dann nur durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden! Damals gingen die Frauen noch verschleiert. Ich als Europäerin mußte wohl keinen Gesichtsschleier tragen, aber ich mußte immer, wenn ich ausging, langärmelige hochgeschlossene Kleider und einen Hut tragen. Jahrelang durfte ich nicht ohne Begleitung auf die Straße gehen. Kurz, ich war gefangen und eingesperrt ohne jeden Kontakt mit der Außenwelt. Von der europäischen Gesellschaft, in der mein Mann verkehrte, sah ich nichts, da er mich niemals mitnahm. Wenn er mich ausführte, um mir die Sehenswürdigkeiten zu zeigen oder ein Kino zu besuchen, nahm er immer eine zweispännige Kutsche, denn Taxis gab es damals nur wenige. Wir waren dabei immer allein, höchstens nahm er seine kleine Schwester mit.

Ich hatte keinen eigenen Reisepaß, da er mich auf seinem eigenen eingetragen hatte. Dadurch wurde ich auch automatisch ägyptische Staatsbürgerin und verlor meine österreichische Nationalität. Das geschah nur aus Unwissenheit, denn ich erfuhr erst viel später, daß ich sie hätte behalten können. Ich wußte nicht einmal, daß es in Kairo ein österreichisches Konsulat gab, da mir mein Mann wohlweislich nichts davon gesagt hatte. Bei unserer Heirat hatte es mein Mann zur Bedingung gemacht, daß wir mit seiner verwitweten Mutter und seiner Schwester im gemeinsamen Haushalt leben würden. Ich begrüßte dies sehr, da ich von zuhause mit allen Verwandten an ein harmonisches Familienleben gewohnt war. Ich hatte natürlich keine Ahnung von der Mentalität der Ägypterinnen aus dem Bauernstand und wußte nichts von dem Neid und der Mißgunst fremden "Eindringlingen" gegenüber, und so stand ich dann viele Jahre unter der Fuchtel meiner Schwiegermutter.

Der größte Schock war aber für mich das Ungeziefer in den Altbauten. Damals gab es in unserem Haus keinerlei Insekten-Vertilgungsmittel, und die wahren Bewohner der alten Häuser waren die Kakerlaken, Fliegen, Moskitos – ganz zu schweigen von den Bettwanzen, die in dem alten Gebälk hausten und gegen die ich jahrzehntelang nur mit Hilfe von Petroleum einen verzweifelten Kampf führte. Da es noch nicht überall Kanalisation gab und die Abwasser-Gruben nicht gut verschlossen waren, konnte man ohne Moskitonetze überhaupt nicht schlafen. Das Schlimmste jedoch war die Küche: Wenn man abends das Licht andrehte, waren Boden und Wände schwarz von Kakerlaken, vor denen ich mich gräßlich ekelte. Sie waren überall, und wenn Lebensmittel nicht ganz fest verschlossen waren, auch im Essen. Sie kamen natürlich auch in die Wohnzimmer, aber da sie in Küche und Speisezimmer genug Nahrung fanden, waren sie hier seltener anzutreffen. Leider waren sie auch im Badezimmer, einem kleinen Raum, der nur mit einem Klo, einer Brause, einem Wasserhahn und einer blechernen Sitzwanne ausgestattet war. Mir zuliebe hatte mein Mann eine neue Badewanne gekauft, die aber nur zur Zierde im Schlafzimmer stand. Erst als wir viel später in ein etwas moderneres Haus übersiedelten, konnte die Prachtwanne im Badezimmer angeschlossen und benutzt werden.

Eine andere Enttäuschung war die Küche. Als Wienerin konnte ich natürlich gut kochen, war aber an eine ordentlich eingerichtete Küche mit Gasherd gewöhnt. Hier fand ich in der Küche nichts außer einem Wasserhahn mit Becken und ein paar Schränkchen, in denen Lebensmittel und Kochgeschirr verwahrt waren. Gekocht wurde über "Primus" Petroleum-Brennern, die auf dem Boden standen. Dazu mußte man entweder mit gekreuzten Beinen auf dem Boden sitzen oder auf einem 20 cm hohen hölzernen Hocker. Da ich nie im Leben so einen Primuskocher gesehen hatte, wußte ich nicht damit umzugehen, und der Sprache nicht mächtig konnte ich mir auch nichts erklären lassen. Als junge Braut sollte ich gleich meine Kochkünste beweisen. Da man aber hier die europäische Küche nicht kannte und ich nicht die ägyptische, war mein erster Versuch eine Katastrophe! Ich wurde zum Gespött der zahlreichen Dienstboten, und meine Schwiegermutter brachte zum Mittagessen triumphierend die Speisen zu Tisch, die sie gekocht hatte, weil ihr armer Sohn sonst hätte verhungern müssen. Ich mußte zu ihr in die Lehre gehen, aber da ich bald fähig war, mich auf Arabisch verständlich zu machen, lernte ich schnell, die wichtigsten Gerichte zuzubereiten und mit den primitiven Küchengeräten umzugehen. Erst als wir endlich eine eigene Wohnung hatten, konnte ich meinem Mann wieder Wiener Speisen kochen, aber auch nicht alle, da er Mehlspeisen wie Knödel und Nockerln (Klöße und Spätzle) nicht mochte. Zu dieser Zeit gab es auch in bürgerlichen Haushalten noch keine Kühlschränke, sondern nur ganz einfache Eiskästen aus Holz, innen mit Zinkblech ausgeschlagen. Wenn man einen Block Eis hineintat, hielten die Speisen 24 Stunden lang; erneuerte man das Eis nicht rechtzeitig, dann verdarb alles.

Eine andere Plage waren die kleinen schwarzen Ameisen, die alles Eßbare sofort überfielen und sich sogar in den Eiskasten einen Weg bahnten. Um dies zu verhindern, mußte man die Füße des Eiskastens in wassergefüllte Schalen stellen. Ventilatoren gab es bei uns auch keine. Man konnte, selbst in der größten Hitze, nicht alle Fenster öffnen, da sonst die zahlreichen streunenden Katzen herein kamen und alles an Lebensmitteln vertilgten, was die Insekten übrig gelassen hatten. Merkwürdigerweise scheuen sich die Ägypter bis heute, Katzen – die heiligen Tiere der Göttin von Bubastis – zu töten, weil dies angeblich Unglück bringe. Zur Zeit der Pharaonen wurde Katzenmord mit dem Tode bestraft. Heute werden nur bei Ausbruch von Tollwut Katzen (und Hunde) von Polizeisoldaten erschossen.

Vor 60 Jahren war der Herr des Hauses der absolute Herrscher und nichts geschah ohne seine ausdrückliche Erlaubnis. Bei den Mahlzeiten, die er allein einnahm, wurden ihm die besten Speisen vorgesetzt. Erst wenn er fertig war, durften sich Frau und Kinder an den Tisch setzen, die Diener bekamen die Reste.

Männliche Gäste durften die Frauen nie zu Gesicht bekommen. Wenn gerade kein Diener da war, mußte die Frau oder Tochter an die Tür klopfen, der Mann stand dann auf und nahm ihr das Tablett mit den Erfrischungen vor der Tür ab und trug es selbst ins Gästezimmer. Das war auch der Grund, warum ich viele der männlichen Verwandten meines Mannes nicht kannte. Er stellte mich nur ganz wenigen seiner nächsten Verwandten vor. Der Mann des Hauses stand auf einem erhabenen Piedestal und jeder beugte sich vor ihm, sogar seine eigene Mutter. In meinem Falle war es wohl anders, weil wir vom ersten Tag an unsere Malzeiten immer gemeinsam einnahmen, aber auch ich mußte gehorchen wie alle Frauen.

In Österreich hatte ich sehr viel Sport getrieben, Schwimmen, Turnen, Wandern, Bergsteigen – hier war ich eingesperrt und es war einzig und allein die sehr reichhaltige Bibliothek meines Mannes, die mir das Zuhause-Sitzen erträglich machte. Es gab im Hause kein Buch in deutscher, englischer und französischer Sprache, das ich nicht gelesen habe, und mein Mann versorgte mich auch immer mit europäischen Zeitungen und Zeitschriften, die er als Journalist stets zur Verfügung hatte. Erst viele, viele Jahre später wurde ich Mitglied eines Sportklubs und konnte wieder schwimmen und turnen, aber nur an Tagen, die für Damen reserviert waren. Nur wenn mein Mann auf Reisen war – und er reiste sehr viel, oft auf mehrere Wochen – ging ich auch an "gemischten" Tagen in den Klub. Auch in der Erziehung der Kinder hatte der Vater das Machtwort, und das war oft sehr schwer zu ertragen. Ich hätte meine Kinder, zwei Buben und ein Mädchen, gerne in europäische Schulen geschickt, aber er bestand darauf, daß sie arabische Schulen besuchten. Daß die Kinder auch sportlich ausgebildet wurden, konnte ich nur mit größter Mühe durchsetzen. Er war besonders dagegen, daß seine Tochter schwimmen lernte, damit die Männer sie nicht im Badeanzug zu sehen bekommen. Hier mußte ich zur List greifen, und mit Hilfe ihres älteren Bruders konnte sie ihr Training als Kunstspringerin vollenden. Erst als sie mit 20 Jahren die Landesmeisterschaft im Turmspringen erwarb und ihr Bild mit vollem Namen in allen Zeitungen erschien, erfuhr es der Vater. Da aber war er riesig stolz und machte ihr Vorwürfe, daß sie ihn nicht eingeladen hatte, ihren Sieg mitzuerleben.

Wie erwähnt, reiste mein Mann jedes Jahr nach Europa (außer in den Kriegsjahren). Er hatte sich nämlich dem Studium der Geschichte des arabischen Reiches in Spanien zugewandt und betrieb seine Forschungen vor allem in Spanien, aber auch in allen großen Bibliotheken in England, Frankreich, Italien und Marokko. In späteren Jahren war er dann ein bekannter Historiker und Mitglied der Arabischen Akademie. Auf seinen Reisen nahm er mich aber niemals mit, weil ich die Kinder zu Hause zu beaufsichtigen hatte. Erst im Jahre 1960 kam ich, nach 30-jähriger Ehe, von meiner damals 25-jährigen Tochter begleitet, zum ersten Mal wieder in die Heimat.

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Teil 2 Papyrus-Logo Nr. 10/89, pp. 48—50

Eine neue Generation

Das Leben in Ägypten hat sich in den letzten 60 Jahren grundlegend geändert. In den großen Städten, wie z.B. in Kairo, lebt man jetzt in Wohnungen mit modernstem Komfort, Telefon, sauberen Küchen mit Kühlschränken, Gasherden und Warmwasser-Speichern. In den Hochhäusern gibt es Aufzüge und überall, sogar in den Dörfern, findet man Fernseh- und Videoanschlüsse. Vertilgungsmittel halten die Insekten in Schach und Staubsauger den immer wiederkehrenden Staub. Burschen und Mädchen besuchen gemeinsam Schulen und Universitäten und zahlreiche Sportklubs bieten Jung und Alt Gelegenheit, ihren Lieblingssport auszuüben. Eine junge Frau, die heute einen Ägypter heiratet, findet wohl kaum mehr eine Schwiegermutter, die nicht lesen und schreiben kann und wird von der Familie meistens herzlich aufgenommen, in der Regel sprechen einige Familienmitglieder eine Fremdsprache. Vieles ist besser geworden, aber bei weitem nicht alles.

Vor 60 Jahren hatte Kairo zwei Millionen Einwohner – heute sind es 14 Millionen. Damals fand man überall in der Stadt Anzeigen mit "Wohnung zu vermieten", heute muß man jahrelang auf eine Wohnung warten. Die alten Häuser waren solide gebaut, mit dicken isolierenden Wänden aus Stein, so daß es sogar bei 40°C Hitze noch kühl blieb. Die heute gebauten, oft 20 Stock hohen Betonbauten mit ihren dünnen und wärmespeichernden Wänden gleichen im Sommer Brutkästen, in denen man ohne Klimaanlagen gar nicht leben kann. Die sanitären Anlagen halten der Überbelastung nicht stand. Überall bricht die Kanalisation zusammen, Straßen werden überflutet. Ohne eigene Pumpanlagen in den hohen Gebäuden erreicht das Trinkwasser nicht mehr die oberen Stockwerke, und auch Stromstörungen sind häufig. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind dem Andrang der Massen nicht gewachsen, und immer mehr Familien sind gezwungen, sich Privatwagen anzuschaffen, die nun wieder ihrerseits die Verkehrsstraßen verstopfen und dazu noch die Luft verpesten. All dies hier Gesagte ist aber nicht auf Ägypten beschränkt, das findet man auch in anderen Großstädten, sogar in Europa. Wir wollen uns hier mit Dingen befassen, die für Ägypten, vielleicht für den ganzen Mittleren Osten typisch sind.

Das Leben in Ägypten hat sich geändert – aber hat sich auch der Mensch und seine Denkweise dementsprechend geändert? Die meisten Männer hier tragen jetzt europäische Kleidung, imitieren auch die Europäer in ihrer Lebensweise, aber in ihrer Mentalität sind sie vielfach dieselben geblieben. Ich habe aus meiner Erfahrung gelernt, daß ihr europäisches Benehmen, ihre Toleranz und ihre Galanterie nichts anderes sind als eine "Galabeya" (das hemdartige Gewand), das die Ägypter ausziehen und an einen Nägel hängen, sobald sie ihr Heim betreten, und darunter kommt wieder der alte traditionelle Mensch in Erscheinung, der der Ägypter wirklich ist.

Die Männer, die vor 60 Jahren eine Europäerin heirateten, gehörten alle der sogenannten "besseren Gesellschaft" an, damit ist zumindest der höhere Mittelstand gemeint, weil andere Gesellschaftsklassen sich einen Aufenthalt in Europa einfach nicht leisten konnten. Alle Männer dieser Kategorie hatten eine höhere Bildung, meistens waren sie Akademiker und bekleideten gehobene Stellungen. Dies war eine Garantie, daß sie ihren Gattinnen zumindest ein finanziell gesichertes Leben bieten konnten. Die damaligen Ehen waren auch fast alle von langer Dauer und, wie ich aus meinem Bekanntenkreis beurteilen konnte, auch recht gut, nachdem sich die Frauen an die hiesigen Verhältnisse gewöhnt und sich eingelebt hatten.

Heute aber, mit billigen Reiseangeboten, Stipendien für Studium und Berufsausbildung im Ausland, fahren viele junge Leute nach Deutschland und Österreich, lernen dort ihre Bräute kennen, versprechen ihnen das Blaue vom Himmel und dann finden die jungen Frauen einen Lebens- und Bildungsstandard in der Familie ihres Mannes, der tief unter ihren Erwartungen steht.

Jede junge Frau sollte bedenken, daß hier die Lebensverhältnisse und die Anschauungen ganz verschieden sind von denen, die sie kennt und gewohnt ist. Nur wenige junge Leute haben die Mittel, sich eine teure Eigentumswohnung anzuschaffen und leben mit ihrer jungen Frau im Haus der Familie, mit der der Ägypter durch Tradition und Sitte auf das Engste verbunden ist. Die junge Frau muß also die meiste Zeit im Familienkreise verbringen. Selbst wenn die Sprachen-Schranke überwunden ist, findet sie keinen Gesprächsstoff für die vielen Stunden, die sie mit ihren weiblichen Verwandten zu verbringen hat, weil die Interessen so grundverschieden sind. Wenn sich z.B. in Europa junge Leute treffen, so wird oft stundenlang über Bücher diskutiert, die man gelesen hat, oder über Theateraufführungen und Konzerte gesprochen. Hier aber, wenn sich junge Mädchen treffen, klatscht man meistens nur über Abwesende, oder spricht höchstens noch über Kleider und Mode. Die junge Frau langweilt sich, fühlt sich nicht wohl und wird unzufrieden. Dem jungen Mann sind die Verhältnisse, in denen er aufgewachsen ist, so selbstverständlich, daß er gar nicht begreift, was seine Frau auszusetzen hat, da er keine Ahnung hat von dem Milieu, in dem sie ihre Kindheit verbracht hat. Er versteht z.B. nicht, daß sie hier das kulturelle Niveau vermißt, das sie gewöhnt war, weil er es nie kennengelernt hat und glaubt, ein Fernseher und ein Video seien völlig ausreichend.

Jede junge Frau, die beabsichtigt, einen Ägypter zu heiraten, sollte sich auch vorher genau über ihre Rechte und Pflichten informieren. Wenn die große Ernüchterung einmal eintreten sollte, ist die Rückkehr in die Heimat nämlich gar nicht so einfach. So darf z.B. eine ägyptische Ehefrau nicht ohne die schriftliche Erlaubnis ihres Mannes das Land verlassen. (Siehe speziell hierzu den Beitrag "Ägypterinnen erhalten das Recht, ohne Zustimmung ihrer Männer zu reisen" –Anm. KFN.) Das gilt natürlich umso mehr, wenn sie ihre Kinder mitnehmen will. Das ist kein Problem, wenn es sich um eine gute Ehe handelt. Im Falle aber, daß die junge Frau enttäuscht wieder in ihre Heimat zurückkehren will und ihr Mann damit nicht einverstanden ist, kann es große Schwierigkeiten geben. Nach dem ägyptischen Gesetz hat die Frau nicht das Recht, eine Scheidung zu verlangen, außer unter ganz wenigen schwerwiegenden Gründen. Selbst wenn sich die junge Frau an ihr Konsulat wendet, darf dieses nichts unternehmen, was gegen die Gesetze des Landes verstößt und kann oft nicht mehr tun als den Versuch zu machen, zwischen den Gatten gütlich zu vermitteln. (Siehe hierzu generell die Beiträge zu Familie und Recht –Anm. KFN.)

Es wird von der Frau eines Moslems nie verlangt, daß sie ihre Religion wechselt. Die freie Ausübung ihres Glaubens ist ihr gesetzlich gesichert. Aber sie muß wissen, daß die andersgläubige Frau eines Moslems im Falle des Todes ihres Gatten niemals die Vormundschaft über die Kinder zugesprochen bekommt und sie auch nicht erbberechtigt ist. Auch muß die Mutter bedenken, daß die Kinder eines Moslems ebenfalls Moslems sind und, wenn sie heranwachsen, oft religiös verunsichert werden, wenn Vater und Mutter nicht derselben Religion angehören.

Bis zum Jahre 1939 erhielt die ausländische Gattin eines Ägypters automatisch die ägyptische Staatsbürgerschaft. Jetzt muß man darum ansuchen und es dauert oft einige Zeit, bis man sie bekommt. Ägypten ist ein Staat, in dem die doppelte Nationalität gestattet ist, man kann also seine alte Staatsbürgerschaft behalten. Es ist aber ratsam, auch wenn man sie behält, auf jeden Fall die ägyptische Staatsbürgerschaft zu erwerben, z.B. wegen einer eventuellen Vormundschaft über ihre Kinder.

In vielen Mischehen geht alles ganz in Ordnung, solange die Kinder noch klein sind. Wenn sie aber heranwachsen, entstehen oft grundsätzliche Differenzen zwischen der Art und Weise, in der der Vater und die Mutter sich die Erziehung der Kinder vorstellen, zwischen übergroßer Freiheit und traditioneller Disziplin.

Ehen, die in Ägypten zwischen Ägyptern und deutschen Mädchen geschlossen werden, die schon als Lehrerinnen oder mit ihren Eltern seit einiger Zeit hier leben, haben bessere Aussicht auf Erfolg, weil diese Mädchen die hiesigen Verhältnisse bereits kennen.

Auch Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, aber schon seit mehreren Jahren bestehen, bleiben nach der Rückkehr in Ägypten auch in den meisten Fällen harmonisch, weil sich die beiden Gatten bereits gut kennen und aneinander gewöhnt haben.

Ich will natürlich nicht den Anschein erwecken, daß alle Mischehen zum Scheitern verurteilt sind. Im Gegenteil, ich kenne zahlreiche sehr gute Ehen in der jüngeren Generation. Aber aus meiner langen Erfahrung kann ich sagen, daß solche Ehen nur dann harmonisch verlaufen können, wenn die junge Frau nicht verlangt, daß ihr Mann sein Leben ändert, sondern wenn es ihr gelingt, sich an die hiesige Mentalität anzupassen.

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Kurze Meinungsäußerungen von Kindern aus binationalen Ehen
von Dalia Abu Samra

Papyrus-Logo Nr. 3—4/94, pp. 29—30

"Misr Um el Dunja – Ägypten, die Mutter der Welt!"

Etwas stimmt an diesem ägyptischen Sprichwort, denn im Vergleich zu vielen anderen Ländern gibt es in Ägypten viele binationale Ehen der verschiedensten Nationalitäten.

"Ich bin stolz auf Ägypten, und ich bin hierher gekommen, um meine ägyptische Hälfte besser kennenzulernen", sagt Sara Rahman, halb Amerikanerin, die seit fünf Monaten in Kairo lebt. "Ich finde, daß zwischen der ägyptischen Oberschicht und Amerika kein großer Unterschied besteht, und daher hatte ich auch kaum Probleme, mich an der Amerikanischen Universität einzuleben", sagt die 22jährige. Rahman fügt hinzu, daß sie außerdem gekommen sei, um ihre sehr geringen Arabischkenntnisse zu verbessern.

"Ich lebe seit vier Jahren in Ägypten, zuvor haben wir in Deutschland, Kenya und Äthiopien gelebt", sagt Dalia Abu Zeid, deren Mutter Deutsche ist. Sie hat Arabisch vorwiegend von ihrem Vater gelernt, das aber erst, als sie sieben Jahre alt war und für ein Jahr zwischendurch in Ägypten gelebt hatte. Sie fügt hinzu: "Mein Deutsch ist besser als mein Arabisch."

Simone Alexan hat eine österreichische Mutter, ist aber in Ägypten geboren und hier aufgewachsen. "Ich spreche Arabisch mit meinem Vater und Deutsch mit meiner Mutter", erklärt die 21jährige.

"Mein Vater wollte meiner Schwester und mir Arabisch beibringen, doch wir wollten es nicht lernen, da wir immer das Gefühl hatten, daß es mit Religion zu tun hat, außerdem hatten wir, außer zuhause, gar keine Möglichkeit, es zu sprechen", sagt Jehan, die ihr Studium in Amerika beendet hat und seit einem halben Jahr in Kairo lebt, um hier Arabisch zu lernen und eventuell zu arbeiten.

Kinder binationaler Ehen stehen oft im Konflikt, mit welcher Nationalität sie sich identifizieren sollen.

"Als ich klein war, wollte ich richtig amerikanisch sein. Mein Vater wollte einerseits, daß ich eine amerikanische Ausbildung bekomme, aber andererseits wollte er auch, daß ich ägyptische Traditionen kennenlerne. Dies führte oft zu einem großen Konflikt innerhalb der Familie. Heutzutage hat sich das aber gelegt, und ich kann tun und lassen, was ich möchte", sagt Rahman.

"Ich fühle mich weder deutsch noch ägyptisch", sagt Abu Zeid. Der gleichen Meinung ist Simone Alexan, deren Mutter Österreicherin ist. Sie sieht die Vor- und Nachteile beider Länder, fügt jedoch hinzu, daß sie oft in Österreich oder Deutschland komisch angeguckt werde, wenn sie mit ihrer Schwester Arabisch spricht. Sie fühlt sich in solch einer Situation manchmal als Ausländerin. Deswegen sprechen sie, wenn sie in Europa sind, meistens Deutsch miteinander.

"Ich fühle mich als Ägypterin", sagt Howayda Abu Heif, die halb Italienerin ist. "Ich liebe Italien, doch ich habe leider nie dort gelebt." Sie spricht Italienisch, doch ihr Arabisch ist besser. "Ich würde gerne einmal ausprobieren, dort zu leben", fügt sie hinzu.

Durch die hohe Zahl ägyptischer Emigranten wird es auch in Zukunft binationale Ehen geben, die zwei oft völlig verschiedene Kulturkreise zueinanderführen. Somit bleibt Ägypten weiterhin die "Um el Dunja" (Mutter der Welt).

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Buchbesprechung: Betty Mahmoody – "Nicht ohne meine Tochter"
von Baraka Abou-Zeid

Papyrus-Logo Nr. 9—10/91, pp. 16—17

Betty Mahmoody, eine Frau Ende dreißig, geschiedene Mutter mit zwei Kindern, berufstätig, sich auf dem zweiten Bildungsweg weiterbildend, kurz gesagt: eine Frau, die im Leben steht. Sie berichtet in diesem Buch von ihrem Schicksal, als sie in zweiter Ehe einen Ausländer heiratet.

Anfangs schien alles auf die große Liebe hinzudeuten, darum folgte nach drei Jahren des Kennenlernens die Heirat. Doch schon kurz vor der Geburt der Tochter bekommt das Glück Risse, die sich nicht mehr vertuschen lassen, was anfangs noch möglich war. Der Ehemann ist iranischer Herkunft, und mit dem Sturz des Schahs und der Machtübernahme Khomeinis beginnt auch für ihn eine tiefe innere Auseinandersetzung. Er ist hin- und hergerissen zwischen westlich-amerikanischer und iranisch-islamischer Kultur. Doch für Betty Mahmoody als geborene und überzeugte Amerikanerin ist es wichtig, daß ihr Mann sich weiterhin "amerikanisierte". Als Moody politisch aktiv wird, endet das große Liebesglück und "es gab Momente, in denen das Wort Scheidung dicht unter der Oberfläche meines Bewußtseins schwebte" (S. 283). Doch eine zweite Scheidung durchstehen und den exklusiven Lebensstil als angesehene Arztfrau aufgeben zu müssen, das will sie nicht. Als sie dann schwanger wird, ist Moody überglücklich und zieht sich aus der Politik zurück. Inzwischen begegnet ihm massive und bedrohliche Ausländerfeindlichkeit (S. 289), da Amerika von iranischer Seite als Feind betrachtet wird und die amerikanische Botschaft in Teheran besetzt worden ist. Doch der Rückzug dauert nur bis zu dem Besuch eines Neffen, der Moodys inneren Konflikt wieder heraufbeschwört. Diesmal entscheidet er sich pro-iranisch und will zu einem Besuch in seine Heimat. Von düsteren Vorahnungen geplagt, willigt Betty Mahmoody schließlich ein. Der Urlaub wird zu einem Horrortrip. Moody verweigert seiner Frau und der Tochter die Ausreise aus Iran, indem er ihnen die Pässe wegnimmt, sie einsperrt, versucht, Betty mit Gewalt gefügig zu machen, sie sogar von der Tochter trennt: Moody hat sich entschlossen, im Iran zu bleiben. 1½ Jahre dauert diese Gefangenschaft, bis ihr schließlich auf abenteuerliche Weise die Flucht gelingt.

Das Buch, als Unterhaltungsroman geschrieben, handelt in erster Linie von der Gefangenschaft und dem Leben im Iran. Die Vergangenheit wird leider nur verwirrend stückchenweise dargeboten, so daß es schwierig ist, die Vorgeschichte nachzuvollziehen. Das Buch erhebt den Anspruch, auf bikulturelle Probleme hinzuweisen, aber versagt darin total. Einsperren der Frau, Kindesentführung oder Gewalt in der Ehe sind keine bikulturellen Probleme. Das dürfte doch wohl außerhalb der Diskussion stehen, denn welche Nationalität kann schon den charakterlich einwandfreien Menschen garantieren? Es ist sicher richtig, daß das größte Problem die Kinder sind, wenn eine Mischehe geschieden wird. Wünschenswert wäre ein Buch, das dieses Problem mit Lösungsmöglichkeiten angeht. Brauchen wir so ein Buch, wie das von Betty Mahmoody, in einer Zeit, in der die Intoleranz groß ist, und die Brücke der Verständigung jeden Tag mehr bröckelt? Das Buch, allenfalls unter Trivialliteratur einzuordnen, da es sehr polemisch geschrieben ist, beinhaltet nur Schwarz-Weiß-Malerei. Auf der einen Seite die hochentwickelte westlich-amerikanische Kultur, auf der anderen Seite die Iraner als "schmutziges, gieriges, intrigenliebendes Volk". Dadurch wirft sich die Frage auf, wie das Buch einen derartigen Erfolg haben kann. Riskieren wir doch ruhig mal den Blick in den Spiegel – wer ist schon frei von Urteilen, die einer intensiven prüfenden Auseinandersetzung standhalten könnten? Betty Mahmoody verweigert sich einer wirklichen Auseinandersetzung, sie glorifiziert den eigenen Lebensstil. Auch wenn sie später Schuldzugeständnisse macht, bleibt sie doch dem Leser eine Antwort auf die eigene Verantwortung schuldig. Mir drängt sich die Frage auf, welchen Erfolg ein Buch hätte, das von der fruchtbaren Bereicherung erzählt, die eine Ehe bedeuten kann, wenn zwei "Welten" miteinander kommunizieren. Denn das Schicksal von Betty Mahmoody ist ein Einzelschicksal, auch wenn es davon mehrere gibt.

Wie soll ich es sagen – Frauen aller Mischehen vereinigt euch?! Zu einem Buch: Nicht ohne meinen Mann!
Doch, es ist ernst gemeint. Denn wo könnte eine bessere Vereinigung von Orient und Okzident beginnen, wenn nicht in der Liebe zwischen einem Mann und einer Frau. Wer einen Beitrag leisten kann, leistet ihn zur Verständigung, zur Toleranz und somit zum Frieden.

Punkt  Punkt

 
Buchbesprechung: Mostafa Arki – "Das andere anders sein lassen"
Kritische Anmerkungen zu Betty Mahmoody's Buch "Nicht ohne meine Tochter"
von Ulrike Braa
Papyrus-Logo Nr. 9—10/91, pp. 18—19

Der Autor
Mostafa Arki wurde am 1.5.51 in Teheran als vierter von sechs Kindern geboren. Nach dem Abitur beschäftigte er sich mit politischen Themen und arbeitete die von der Schahregierung verbotene Literatur durch. 1974, nach dem "Schlag der SAWAK", kam M.Arki in die Bundesrepublik und widmete sich neben dem Architekturstudium der Internationalismusarbeit. Damals glaubte er, wie die meisten, daß die Beseitigung des Schahs die politische Hauptaufgabe sei. Nach der Revolution 1978/79 flüchtete M.Arki zum zweitenmal in die Bundesrepublik, voll enttäuschter Hoffnungen, er stand unter dem Eindruck des Verlustes von vier hingerichteten Freunden. Er begann in Hannover das Studium der Soziologie. An die Öffentlichkeit ist er mit zahlreichen Publikationen zur Flüchtlingsproblematik, sowie als Autor von Büchern und Artikeln über den Iran getreten.
Mostafa Arki ist seit 13 Jahren aktives Mitglied bei Amnesty International und arbeitet im Erwachsenenbildungsbereich.
Bereits im Vorwort wird dem Leser klar, welche Stellung der Autor in seiner Kritik bezieht. Mit scharfer Zunge greift er all diejenigen LeserINNEN an, die das Buch von Betty Mahmoody unfiltriert ins "Hirn haben fließen lassen" und spätestens jetzt den vorderen Orient als Synonym für Fanatismus, Gewalttätigkeit und Kulturlosigkeit betrachten. Seiner Meinung nach ist hier aus Rache und subjektiven Positionen ein ganzes Volk pauschal als barbarisch und menschenunwürdig verurteilt worden, während im gleichen Moment die westlichen Wertvorstellungen hochgejubelt werden.
"Es ist mir unbegreiflich, daß die europäische und nordamerikanische Gesellschaft das Bedürfnis noch nicht überwunden hat, alles nach ihren Maßstäben zu messen und ihre Wert- und Normvorstellungen auf alles als die Besten zu übertragen und sie als das Nonplusultra anzusehen."
Frauen wie Betty Mahmoody trügen eine Verantwortung für ihre Handlungen, ungeachtet ihrer Sozialisation. Das gelte insbesondere, wenn sie eine bikulturelle Beziehung eingehen, wo die möglichen Probleme von Anfang an bewußt sein sollten.
So hat der Autor zwar Verständnis für die ihr anerzogenen Denkstrukturen ihrer Gesellschaft, jedoch sieht er die Verantwortung für das erlebte Drama nicht in der iranisch-islamischen Kultur.
Denn anstatt sich auf die Reise nach Teheran vorzubereiten, sich mit der fremden Kultur bewußt auseinanderzusetzen und sich vor Ort den ungewöhnlichen und für sie unfaßbaren Gepflogenheiten und Sitten anzupassen, sei die Beschreibung ihres Aufenthaltes im Iran schon zu Beginn gespickt mit Abwertungen, Vorurteilen und pauschalen Statements. Allein die schauderhafte Beschreibung der absolut ekeligen Eßgewohnheiten hinterlasse bei jeder LeserIN eine Gänsehaut und das erleichterte Bewußtsein, in einiger Entfernung von diesem Land zu leben.
Dabei hätte gerade die orientalische Hygiene und Medizin eine lange Geschichte und stehe in der Tradition der griechischen Wissenschaften.
Auch im weiteren Verlauf seiner Kritik stellt der Autor fest, daß Betty in keinem Bereich zu einem wirklich objektiven Urteil in der Lage ist. Sie wehre sich gegen jeden Gedanken, der eventuelle Zweifel an den amerikanischen Werten aufkommen läßt. Der Autor wiederum verteidigt jede von Betty gemachte Erfahrung, die zu einer falschen Betrachtungsweise der orientalischen Lebensart führen könnte. Jede einzelne negative Behauptung wird von ihm schlechtweg dementiert. Er läßt keine ihrer Zustandsbeschreibungen aus, um eine Gegenposition zu beziehen, die seiner Auffassung entspricht. Er untermauert seinen Standpunkt mit eigenen Erfahrungen, die er als Kind und Heranwachsender im Iran gemacht hat und versucht, Hintergründe sowie politische und religiöse Tendenzen zu erklären.
Dabei macht er nicht unwesentlich die westlichen Gesellschaften und das kapitalistische Denken für die Entwicklungen im Iran verantwortlich.
"Es ist bedauernswert, daß Betty in keinster Weise von ihrem Aufenthalt im Iran lernen konnte, daß sie ihre eigene Einstellung dem Leben im Überfluß gegenüber, das sie in den USA genießt, nicht überdenkt, daß ihr nichts darüber klar wurde, wie sie durch ihr Luxusbedürfnis zur Ausbeutung der Menschen in den unterentwickelt gehaltenen Ländern beiträgt, wie ihr Land, die USA, Kulturimperialismus betreibt."
Bi-kulturelle Ehen sollten ein Mittel zur internationalen Verständigung sein und verdienen die allgemeine Unterstützung durch die Gesellschaft. Diese noch hervorragende Grundlage für eine gewaltlose Überwindung des Rassismus würde, nach Meinung des Autors, durch ein Buch wie "Nicht ohne meine Tochter" im Ansatz erstickt.
"Das Buch produziert somit nicht nur bei denen eine negative Haltung, die sich bisher nur flüchtig mit fremden Kulturen auseinandergesetzt haben, sondern sogar das Weltbild derer gerät ins Wanken, die schon viele positive Erfahrungen mit Menschen aus islamischen Ländern sammeln konnten.

(IAF-Interessengemeinschaft der mit Ausländern Verheirateten deutschen Frauen e.V.)

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Leserbrief zu den Buchbesprechungen
"Nicht ohne meine Tochter" und
"Das andere anders sein lassen"
von T. el Hefni
Papyrus-Logo Nr. 11—12/91, p. 97

Im "Papyrus" Sept./Okt. 1991 stehen zwei Artikel, die unter dem Titel "Buchbesprechung" auf verschiedene Art dasselbe Buch behandeln, "Nicht ohne meine Tochter" von Betty Mahmoody, einer Amerikanerin als – mir unverständlich – Bestseller auf dem Büchermarkt erschienen und dessen Inhalt gleich zu einem Film verarbeitet wurde und die Kinos füllte. Beide Artikel sind in ihrer wertvollen Stellungnahme in ihrer Ausführlichkeit zu schätzen

Ich möchte die Gelegenheit des Themas benutzen, um auf ein weiteres Buch, das sich mit dem Problem dieser Ehe und der Mischehe im allgemeinen beschäftigt, zu erwähnen. Es geht um die Anmerkungen zum Buch und Film "Nicht ohne meine Tochter" – unter dem Titel "Betty Mahmoody – eine Amerikanerin in Teheran", vom Berliner Verlag "Das Arabische Buch" herausgegeben, eine kleine Broschüre. Doch betrachtet die Verfasserin, die Iranerin Sonia Seddighi, als reife Frau den "tragischen" Fall mit sehr gesunden und vernünftigen Ansichten. Sie spart sich gehässige Bemerkungen über die Protagonistin, ist aber scharf und klar in ihrer Beurteilung, die einer Verurteilung nahe steht.

Außerdem bringt Frau Seddighi nicht allgemeine Betrachtungen über die ewige Gehässigkeit und Herabsetzung von Menschen aus der Dritten Welt, besonders den Arabern. Sie selbst lebt als Ärztin (sie hat in der BRD studiert) in Deutschland und ist wohl fähig, dieses "Drama", das bei vielen große Teilnahme erregt, in das richtige Gleis zu bringen. Ich empfehle dieses Büchlein also aus starker Überzeugung von seiner Richtigkeit.

Gleichzeitig möchte ich erwähnen, daß ich selbst – geborene Deutsche – fast 50 Jahre mit einem ägyptischen Akademiker verheiratet war (mein Mann starb 1973) und die Hauptzeit in guter Ehe in Ägypten verbracht habe, Kinder aufzog, Enkel und Urenkel habe. Zwar heiratete ich gegen den Willen meiner Familie, heimlich, aber ich war mir von Anfang an klar, welchen Weg ich zu gehen habe: Mich den Sitten meiner zweiten Heimat zu öffnen, in Harmonie mit meinem Partner in ihnen zu leben, das eigentliche Eheleben zu pflegen. Ich habe in die Ehe eingewilligt, kenne die Gebote (ich habe "a" gesagt), ich muß nun auch mithalten. Und so schlimm ist es nicht im Orient, man darf nicht nur die Augen für das Schlechte groß aufhalten und das Gute übersehen. Betty Mahmoody ist bedauernswert, daß sie das nicht konnte.

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"Deine Landsmännin versteht dich"
aus: "Al Akhbar" vom 20.3.1988
frei übersetzt von Barbara Hatour-Satow

Papyrus-Logo Nr. 5—6/88, pp. 50—51

Nach 4-jährigem Aufenthalt in einem europäischen Land, in dem er seine Doktorarbeit geschrieben hat, fragt ein zurückgekehrter Ägypter, wen er als Lebensgefährtin nehmen solle: ein Ausländerin, die weder Brautgeld noch Brautschmuck noch das Einverständnis der Eltern erfordere und bereit sei, aus Liebe zu ihm irgendwo bescheiden in einem einzigen Zimmer mit ihm zu wohnen, oder eine Landestochter, mit deren Eltern er über Mitgift, Wohnungseinrichtung etc. streiten muß?

May Shahins Antwort in ihrer Kolumne "Das andere Geschlecht" in "Al Akhbar" ist deutlich: "Ich glaube, daß die meisten Ehen mit Ausländerinnen schief gehen." Zwar gebe es Ehen mit hervorragenden Ausländerinnen, "die unser Land lieben, unsere Staatsangehörigkeit annehmen, zu unserer großartigen Religion übertreten" und ein glückliches Leben führen, aber die meisten Ehen mit Europäerinnen oder Amerikanerinnen endeten mit Trennung. Die Frau kehre mit den Kindern in ihr Land zurück oder überlasse dem Mann die Kinder, wobei im einen Fall die Kinder die Fürsorge des Vaters, im anderen die Zärtlichkeit der Mutter entbehren müßten. Der Grund für das Scheitern liege natürlich in den Unterschieden in Lebensart, Tradition und Sitten.

An vier Beispielen verdeutlicht May Shahin, wie ein von Ausländerinnen als normal und natürlich angesehenes Verhalten von Ägyptern als unschicklich (aeb und haram) beurteilt wird:

1.

Ein Ägypter war mit einer Europäerin verheiratet. Es war die große Liebe. Doch der Streit begann, als er sie sich so benehmen sah, als sei sie in ihrem Land. Um ihre Zeit zu vertreiben, hielt sie sich im Klub auf, bis ihr Mann von der Arbeit zurückkam und sie mit nach Hause nahm. Eines Tages fand er sie im Bikini, umringt von mit ihr flirtenden Männern, auf der Wiese sitzen. Der Ehemann wurde ärgerlich und erklärte ihr, daß dieses Verhalten in Ägypten unangebracht sei. "Natürlich verstand die Frau das nicht", fuhr fort, sich in dieser Weise zu benehmen, mit dem Ergebnis, daß die Ehe nach nur zwei Jahren aufgelöst wurde.

2.

Als die Mutter eines mit einer Europäerin verheirateten jungen Mannes erkrankte und er beschloß, sie zu sich in sein Haus zu holen, um sie zu pflegen, lehnte dies seine Frau ab und schlug vor, die Mutter in ein Altersheim zu bringen. Er versuchte, sie zu überzeugen, daß seine Religion, Tradition und Sitte ihm die Fürsorge für seine Eltern in Alter und Krankheit auferlege. Sie stellte ihn vor die Wahl. Er entschied sich für die Pflege seiner Mutter und verabschiedete sich von seiner europäischen Frau.

3.

Ein junger Mann kehrte mit seiner ausländischen Frau nach Ägypten zurück. Sie brachte einen Hund mit. Sie hatten sich geeinigt, mit seiner Familie zusammen zu ziehen. Als die Familie sich weigerte, den verwöhnten Hund in der Wohnung zu akzeptieren, meinte die Braut, sie könne zwar ohne ihren Mann, aber nicht ohne ihren Hund leben und kehrte mit ihrem Hund im nächsten Flugzeug in ihre Heimat zurück.

4.

Ein Ägypter heiratete gegen den Willen seiner Eltern eine Amerikanerin, mit der er in den USA lebte. Als er einmal frühzeitig von einer Geschäftsreise zurückkehrte, überraschte er seine Frau mit einem ihm unbekannten Mann in seiner Wohnung beim Tee trinken. Sie teilte ihrem Mann mit, daß sie mit diesem Mann die ganze Zeit seiner Abwesenheit ausgegangen sei und nichts dabei fände.

Zurück zur anfänglichen Frage: "Ausländerinnen verstehen Dich nicht, aber Deine Landsmännin versteht Dich, denn sie ist aus derselben Umgebung, kennt die Sitten und Gebräuche. Zwar wird sie eine teure Mitgift, Brautschmuck, eine Wohnung, schöne Möbel etc. verlangen, aber dafür wird sie keinen Bikini tragen, während Deiner Abwesenheit nicht mit einem Boyfriend spazieren gehen und nicht einen Hund Dir vorziehen."

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"Sie" (Heyya)
nach einem "Al-Ahram"-Artikel in der Kolumne "Heyya"
von Anas El Wogood, übersetzt von Abdelsalam Ahmed

Papyrus-Logo Nr. 3—4/94, pp. 67—68

Er verbrachte Jahre und Monate mit seinem Studium im Ausland. Danach kehrte er mit hohem Diplom und europäischer Gattin ins Vaterland zurück.

Der ausländischen Dame gelang es bald soviel Arabisch zu lernen, daß sie mit ihrem Wortschatz das Herz der Schwiegermutter zu erreichen vermochte, welche aber den halben Tag in der Küche mit Mahschi-Stopfen, d.h. Reis in Traubenblätter einzuwickeln, verbrachte.

"In unserem Land lassen wir die Blätter zur Umhüllung der Früchte auf den Bäumen", sagte die ausländische Gattin mit Tränen in den Augen, deren tieferer Grund die ständige Nicht-Respektierung ihres privaten Frottierhandtuchs im Bad war und auch der hermetische Verschluß der Wohnungsfenster, durch die doch frische Luft einströmen sollte. Ihre größte Verwunderung erregte auch ihre Schwägerin, weil sie im Nachthemd in der Küche arbeitete, Leute empfing und sich in demselben Hemd schlafen legte.

Nach all den ermüdenden Lebensumständen, Räucherung der Wohnung am Freitag, Salzheringsfrühstücken im Sham el-Nessim, Fitirbäckerei zu den Sterbegedächtnistagen, Familienräten mit viel Geschrei und zwecklosen Diskussionen über die Angelegenheiten der Verwandten, unaufhörlichem Radiogeräusch und mangelnder Erziehungshilfe an ihrem Kind, das man absolut nicht dazu anleitete, anständig mit der Gabel zu essen, bat sie ihren Mann, doch eine Wohnung für sich zu nehmen.

Er kam ihrem Wunsch nach; aber dennoch fließen die Tränen weiter: Nie hält er die Essenszeiten pünktlich ein, vergißt ihren Geburtstag, sieht die Blumen in der Vase als den größten Unfug an, weigert sich, einen Ferientag fern von der Familie zu verbringen und einen Ausflug in die freie Natur zu machen. Er wirft ihr Zeitvergeudung vor, wenn sie seine Unterwäsche bügelt, spricht und gähnt furchtbar laut herum, beschwört alle seine Aussagen bei Gott und beim Propheten, vertut seine Zeit mit Kreuzworträtseln, liest nie ein weiterbildendes Buch in seiner Freizeit, lehnt Gemüsesuppe ab, verlangt scharfe Gewürze im Essen, lacht, wenn sie Wasser abkocht, um es für das Baby bakterienfrei zu machen. Eines Tages hat er sie furchtbar angeschrieen und zusammengeschimpft, weil sie sein Auto vor dem Haus abwusch. Er brachte ihr auch eine geschwätzige Dienerin, die spät aufsteht, den Fliegendreck auf den Fensterscheiben läßt und das Parkett mit Wasser putzt. Sie färbt ihre Hände mit einem roten Stoff namens Henna und besteht darauf, selber einkaufen zu gehen. Als seine Frau dann auch noch feststellte, daß diese Dienerin nie ein Bad zu nehmen pflegte, zog sie es vor, ihre Arbeit allein zu machen. Ihr Mann wurde ganz böse und erklärte ihr, daß sie wohl nie eine Dame vom Salon, eine "Sitti Hanem" werden würde. (Das ist eine türkische Redensart. Aber sie beeinflußt immer noch seit der osmanischen Eroberung unser Benehmen.)

Während einer Familieneinladung überraschte sie ihn einmal mit einem Bauchtanz, den er bewunderte wie die Tänzerinnen im Fernsehen. Aber als er eine Kritik von seiten der Verwandtschaft gewahr wurde, überschüttete er sie mit Vorwürfen und langen Reden über orientalisches Benehmen und Tradition.

Sie beschwert sich auch über sein geistloses langweiliges Benehmen gegen sein Söhnchen, das er immer auf den Mund küßt und es dumme Worte zu seinem Vergnügen wiederholen läßt. Aber ein kreatives Spielzeug ihm zu besorgen vergißt er völlig. Wenn sie das Kind straft, dann tröstet er es, und wenn sie den Kleinen mal allein schlafen läßt, um schnell einen Besuch zu machen, klagt er sie der Grausamkeit an.

Im Theater rutscht er unruhig auf dem Stuhl herum, Symphonien machen ihm Kopfweh, Tanzen sieht er als eine schmerzliche Strapaze für Beine und Schenkel an. Gleichzeitig ist er aber vollkommen verrückt mit lautgeschrieenen Volksweisen und hat größtes Vergnügen daran. Sie wird nie verstehen, warum er ihren netten Hund herausgeschmissen hat, bloß weil er die Füße seiner Mutter, während sie auf einem Stück Teppich betete, abgeleckt hat zu ihrer Begrüßung.

Das letzte, was er von ihr verlangt hat, war die Weinflaschen zu verstecken, wenn sein Onkel, eine religiöse Persönlichkeit, dem er stets respektvoll die Hand küßt, auf Besuch kommt. Und wenn sie fragt warum und wieso, lehnt er jede Diskussion ab und beschimpft sie, und all das macht ihn zu einem Fremden und Unbekannten für sie.

Tränen der Beunruhigung fließen immer wieder ihre Wangen herab. "Er ist nicht derselbe Mensch, den ich am Seeufer traf und der mit mir auf der Piazza bis in die Morgendämmerung hinein tanzte und all meinen Landsleuten überlegen war." Er war ein Sportsmann und nicht ein Fettwanst, als er ihr das Glück im fernen Pharaonenland versprach und in die Ohren flüsterte. Er kam ihr vor wie der verkörperte Charme und die Romantik des fernen Orients.

Nachdem sie es durchgesetzt hatte, daß sie gemeinsam das pharaonische Museum besuchten, mußte sie feststellen, daß seine Kenntnisse der Geschichte wirklich unter Null waren.
Das Ende vom Lied, sie will nach Europa zurück – und er hat nichts dagegen einzuwenden.
Sie läßt in seinen Armen ein Kind mit blonden Haaren und gemischtem Blut zurück und als Vermächtnis ihre Empfehlung, das Kind auf jeden Fall mit Messer und Gabel essen zu lehren, ihm die Geschichte der großen pharaonischen Vergangenheit beizubringen und ihm zu zeigen, wo Memphis auf der Karte des Niltales liegt und wie die Göttin der Insel Philae hieß.

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Individuelle Sicherung durch Versicherung
von Siegrid el-Gabbas

Papyrus-Logo Nr. 1/86, pp. 19—21

1. Krankenversicherung

Ein Punkt, der viele mit Ägyptern verheirate Frauen stark belastet, ist die soziale Unsicherheit. Die wenigsten sind Mitglied einer Krankenkasse oder haben Anspruch auf eine Rente, sei es aus Deutschland oder von ägyptischer Seite, durch den Ehemann.

Nicht allen ist bekannt, daß es mittlerweile Versicherungen in Deutschland gibt, welche auch die Kosten einer Heilbehandlung im Ausland bezahlen. Da Krankenhausaufenthalte oder laufende Arztkosten in Ägypten in den letzten Jahren sehr gestiegen und bald mit europäischen Preisen zu vergleichen sind, ist es sicherlich für einige überlegenswert, einer Versicherung beizutreten.

Generell erstreckt sich der Versicherungsschutz auf eine Heilbehandlung in Europa und kann durch Vereinbarung auf außereuropäische Länder ausgedehnt werden. Wichtig ist, daß der außereuropäische Aufenthalt angegeben wird und eine zustellungsfähige Korrespondenzanschrift angegeben wird.

Die Art und Höhe der Versicherungsleistungen ergeben sich aus dem Tarif mit Tarifbedingungen. Die in ausländischer Währung entstandenen Krankheitskosten werden zum Kurs des Tages, an dem die Belege beim Versicherer eingehen, in Deutsche Mark umgerechnet. Als Kurs des Tages gilt für gehandelte Währungen der amtliche Devisenkurs Frankfurt, für nicht gehandelte Währungen der Kurs gemäß den "Währungen der Welt", Veröffentlichungen der Deutschen Bundesbank, Frankfurt, nach jeweils neuestem Stand, es sei denn, der Versicherungsnehmer weist durch Bankbeleg nach, daß er die zur Bezahlung der Rechnungen notwendigen Gelder zu einem ungünstigeren Kurs erworben hat.

2. Rentenzahlungen an Berechtigte im Ausland

In der Bundesrepublik Deutschland wird die Rente stets aus allen anrechenbaren Versicherungszeiten bezahlt. Hält sich ein Rentenberechtigter jedoch außerhalb des Bundesgebietes auf, so finden andere Vorschriften Anwendung, die die Gewährung und Berechnung der Auslandsrente regeln.

Die Höhe der Rente hängt zunächst einmal davon ab, ob es sich bei dem Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes um einen vorübergehenden oder einen dauernden, das Gesetz spricht hier von einem "gewöhnlichen Aufenthalt", handelt. Während die Auslandsrentenvorschriften bei einem vorübergehenden Aufenthalt keine Einschränkungen vorsehen, hängt die Höhe der Auslandsrente bei einem dauernden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes von der Staatsangehörigkeit des Rentenberechtigten und der Art der zurückgelegten Versicherungszeiten ab:

Versicherte, die bis zum 31.12.83 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt haben und die wegen ihres Auslandsaufenthaltes keine Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung mehr entrichten, können sich den Anspruch auf eine Rente durch eine laufende Entrichtung freiwilliger Beiträge erhalten. Für die Erfüllung der Wartezeit – das ist die Mindestversicherungszeit, die für den Erwerb eines Rentenanspruches zurückgelegt sein muß – werden sämtliche anrechnungsfähigen Versicherungszeiten berücksichtigt.

Die anrechnungsfähigen Versicherungsjahre setzen sich zusammen aus den Beitragszeiten, Ersatzzeiten, Ausfallzeiten und der Zurechnungszeit. Je 12 Monate ergeben ein Versicherungsjahr. Ein etwaiger Rest wird in Teilversicherungsjahre umgerechnet. Als jährliche Rente erhält der Versicherte für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr einen bestimmten Prozentsatz von der für ihn maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage. Je mehr Versicherungsjahre zu berücksichtigen sind, umso höher ist somit die Rente. Im Gegensatz zur Inlandsrente können bei Auslandsrenten aber nur Versicherungszeiten bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre berücksichtigt werden, aus denen die Auslandsvorschriften eine Zahlung zulassen. Liegen ausschließlich Versicherungszeiten vor, die bei der Auslandsrente nicht zu berücksichtigen sind, so besteht trotz erfüllter Wartezeit kein Anspruch auf eine Auslandsrente.

So steht es in einem Informationsblatt, herausgegeben von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Haben Sie Schwierigkeiten bei der Feststellung ihres Auslandsrentenanspruchs, so können Sie bei der BfA die Klärung Ihres Kontos beantragen und um Übersendung eines Versicherungsverlaufs bitten. Dieser enthält alle für Sie maßgeblichen Zeiten. Sie können auch eine Rentenauskunft beantragen. Mit dieser Auskunft wird Ihnen die derzeitige Höhe Ihres Rentenanspruchs mitgeteilt, der Ihnen bei einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zustehen würde. Aus dieser Rentenauskunft können Sie ohne Schwierigkeiten ersehen, welche Zeiten bei der Berechnung Ihrer Rente zu berücksichtigen sind. So können Sie prüfen, ob sich die Höhe Ihrer Auslandsrente nicht durch eine freiwillige Weiterversicherung entscheidend verbessern läßt.

Zu erwähnen sei noch, daß die hiesigen Privatversicherungen auch Hausrats-, Feuer- und Unfall- und Lebensversicherungen anbieten. Krankenversicherungen sind meistens an bestimmte Ärzte und Krankenhäuser gebunden, so daß andere Ärzte aus eigenen Mitteln bezahlt werden müssen. Aber die Bedingungen sind je nach Versicherung recht unterschiedlich.

(Ungeachtet der grundsätzlich zutreffenden Aussagen dieses Beitrages beachten Sie bitte hinsichtlich konkreter Fragen auch dessen Erscheinungsjahr: 1/1986 –Anm. KFN.)

Punkt Punkt Punkt

 

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