Landwirtschaft und Ernährung
    Inhalt:
    Ägyptens Landwirtschaft heute
    Ägyptens Weizen blüht in Übersee
    Subventionierung – früher Lob, heute Tadel
    Weizen und Nahrungsmittelprobleme aus der Sicht eines ägyptischen Experten
    Nahrungsmittelvertrieb – Schlechte Zensuren
    Versorgungsengpässe am Nil
    Kairos Straßenverkäufer – Zur Lebensmittelversorgung der Stadt
    Die Wüste schreitet voran
    Liegt die Zukunft in der Wüste?
    Der Toshka-Kanal, Teil eines Jahrhundertprojekts

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Ägyptens Landwirtschaft heute
von Dr. Talaat Attia
(Associate Professor an der Kairo-Universität, Fakultät für Landwirtschaft im Fayoum)

Papyrus-Logo Nr. 2/84, pp. 7—10

Früher war die Landwirtschaft eine der wichtigsten Sektoren im Bereich der ägyptischen Wirtschaft und gleichzeitig eine der bedeutendsten Devisenquellen. Anfang der siebziger Jahre schrumpfte der Anteil der Landwirtschaft gemessen an der nationalen Wirtschaft. Die jährliche Entwicklung (2%) auf diesem Gebiet vollzieht sich nur sehr langsam im Vergleich zum Dienstsektor (8%) und dem Erdölsektor (30%). Dies scheint gerade dort paradox zu sein, wo der Nil kontinuierliche Wasserversorgung garantiert, der Boden im Nildelta und entlang des Nillaufes einer der fruchtbarsten ist, und wo die klimatischen Bedingungen eine optimale Ernteausbeute gewährleisten.

Das Ernährungsproblem in Ägypten hat in den letzten Jahren eine Sonderstellung errungen. Die Diskrepanz zwischen dem Konsum und der Produktion an Ernährungsmitteln hat sich gravierend erweitert – besonders ab 1975 mit einer schnellen, kontinuierlichen Zunahme.

Gemüsekkarre

Wissenschaftler errechneten für das Jahr 1980 ein Defizit von ungefähr 3 Milliarden Dollar und für das Jahr 1987 ein Gesamtdefizit von schätzungsweise 16 Milliarden Dollar. Das führt zu einer ständig wachsenden Auslandsabhängigkeit, die sicherlich die ökonomische, politische und soziale Lage Ägyptens bedroht (z.B. ¾ des Weizenbedarfes wird importiert). Entstanden ist diese Krisensituation durch eine Akkumulation mehrerer Faktoren:

1. Die Bevölkerungsexplosion: Die Anzahl der Einwohner beträgt zur Zeit in Ägypten ca. 44 Millionen, und durch eine Zunahme von 2,6%/Jahr wird diese Zahl auf mehr als 50 Millionen (1988) ansteigen. Durch gezielte Gegenpropaganda in allen Medien, durch Volksaufklärung wird ein Rückgang – eine Stagnation – erwartet, sonst machen die hinzukommenden Münder (ca. 1,3 Millionen) jeglichen Entwicklungszuwachs zunichte.

2. Der Konsum (kg/pro kopf) steigt ständig an. Zwischen 1974 und 1980 war die Zunahme im Lebensmittelverbrauch über 50%, außerdem hatte sich das Konsummuster geändert, so daß einige Waren attraktiver wurden. In den letzten fünf Jahren nahm der durchschnittliche Verbrauch pro Kopf von Zucker um 70%, von Geflügel um 67%, von Fleisch um 38%, von Fisch um 76%, von Milch um 41% und von Weizen um 38% zu. Mögliche Ursache könnte die Verbesserung des Einkommens, die Flucht vom Lande in die Städte und die staatliche Subventionierung (~ 1.500 Millionen Pfund jährlich) sein.
Paradoxerweise führt diese Subventionierung zum Mißbrauch der Grundnahrungsmittel. Beispielgebend wäre das vom Staat subventionierte Brot. Der geringe Preis des Brotes führt zur Verwendung dieses Produktes als Tierfuttermittel. Entsprechend stieg der durchschnittliche, jährliche Weizenverbrauch pro Person von 130 kg 1972 auf 170 kg 1980 und 190 kg 1982. Das ist eine der höchsten Verbrauchsraten in der Welt. Nicht nur Weizen und Weizenmehl sind preisgünstiger als Mais, sondern sogar billiger als Weizenstroh (Tierfutter). Sinnvolle Subventionierungspolitik.....?

3. Die landwirtschaftliche Fläche: Die fruchtbare landwirtschaftliche Fläche (~ 6 Millionen Feddan) nimmt langsam ab. Diese erschreckende Tatsache wird bedingt einerseits durch den Bau von Wohngebieten und Fabrikanlagen auf dem fruchtbaren Land und andererseits durch die Nichtausnutzung von Landflächen wegen Versalzungserscheinungen oder der Abtragung fruchtbarer Bodenschichten zur Verwendung als Baumaterial (trotz scharfer Gesetze!).
Nicht zu vergessen ist, daß durch den Staudamm (Assuan) die Bodenfruchtbarkeit durch weniger Schlammablagerung sich vermindert. Hinzu kommt eine Zersplitterung der Eigentumsfläche durch die religiös bedingten Vererbungsregelungen, was eine Mechanisierung und Automatisierung erschwert. Weniger als 1 ha ist der durchschnittliche Besitz eines Fellachen.
Die Genossenschaftsbildung hat unter dem Druck des Mangels an Arbeitskräften zwar gewisse, aber nicht ausreichende Fortschritte erzielt.

 4. Die landwirtschaftliche Politik basiert darauf, daß die Regierung gewisse Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse festsetzt. Diese Preise liegen für manches Hauptprodukt weit unter dem Richtpreis auf dem freien, nationalen und internationalen Markt.
Dadurch fühlen sich die Fellachen ungerecht behandelt und versuchen nicht mehr Baumwolle, Weizen und Reis anzubauen, sondern Obst, Gemüse und Klee. Diese Tatsache ist gesamtwirtschaftlich gefährlich, zumal Baumwolle und Reis zu den wichtigsten Exportprodukten zählen. Die Regierung hat die Gefahr all dieser Probleme erkannt und unternimmt viele Versuche mit dem Hauptziel, eine schnelle Entwicklung der Landwirtschaft zu erreichen.
Außer einer Änderung der Subventionspolitik könnten folgende Maßnahmen dazu beitragen, die Misere zu mindern:

  • Einsatz von neuer, fortgeschrittener landwirtschaftlicher und biologischer Technologie, sowie die Züchtung neuer Weizen-, Mais- und Gemüsesorten.
  • Verbesserung der landwirtschaftlichen Maßnahmen wie Gießen, Düngung, Schädlingsbekämpfung und Mechanisierung.
  • Eine volle Ausnutzung des gewonnenen Landes, das seit 1952 kultivierbar gemacht worden ist und bis heute zum größten Teil weit unter der wirtschaftlichen Grenze liegt. Außerdem muß die Investition zur Gewinnung von neuem, kultivierbarem Land aus der Wüste erheblich gesteigert werden (Salhejy-Projekt).
  • Erweiterung der Entwässerungs- und Bodenverbesserungsprojekte.
  • Eine intensive Bemühung um die Verbesserung der Getreidegruppe, da sie ca. 70% des Kohlenhydrat- und Eiweißbedarfes des ägyptischen Volkes deckt.
  • Indem die Regierung bessere Hilfen (vielleicht Genossenschaften ... ) und angemessenere Preise für die Erträge anbietet, könnte eine Einkommensverbesserung der Fellachen erzielt werden.
  • Eine ausgewogene, fachmännisch unterstützte Planung für den Anbau von Exportpflanzen (z.B. Baumwolle aufgrund der großen Nachfrage), Ernährungspflanzen (z.B. Weizen, Mais und Reis) und nicht zuletzt von Futterpflanzen (die durch Zunahme der Tierproduktion unentbehrlich geworden sind), wäre bedeutend.

Wappen

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Ägyptens Weizen blüht in Übersee
von Dieter Biallas

Papyrus-Logo Nr. 5—6/89, pp. 4—5

Die alten glücklichen Tage, in denen das Niltal die Kornkammer des nahen Ostens war, sind lange dahin. Gegen die Explosion der Bevölkerung, die Wucherungen der Städte in das fruchtbare Land und eine Landwirtschaftspolitik, bei der die Versorgung der Bevölkerung mit billigen Nahrungsmitteln über den Ankaufspreis von Getreide und damit über die Einkommen der Bauern finanziert werden soll, hatten der Aswan-Damm, der bis ca. 2,2 Ernten durchschnittlich ermöglicht, neue Landerschließungen, mehr Düngung, besseres Saatgut und ertragreichere Sorten nur zeitweilige Erfolge erringen können. Die Prognose ist einfach: Das Fruchtland des Niltals ist nicht vermehrbar, der Landreklamation in der Wüste sind am Ende Grenzen durch das verfügbare Wasser zur Bewässerung gesetzt. Wenn sich Ägyptens Bevölkerung mit der gleichen Geschwindigkeit vermehrt wie jetzt (Zuwachsrate etwas höher als 3% jährlich), wird der Eigenanteil an der Nahrungsmittelversorgung weiter rapide zurückgehen. Im Finanzjahr 1989/90 wird die Regierung für jedes der Landeskinder mindestens einen halben US-Dollar pro Tag allein für die Einfuhr von Weizen ausgeben müssen. Jeder Ägypter müßte im Monat LE 33 aufwenden, nur um nach den gegenwärtigen Wechselkursen die Auslagen seiner Regierung für den Weizenimport zu erstatten. Natürlich wird dieser Betrag nicht über die Preise erzielt, sondern über Subventionierungen finanziert, die immer größere Löcher in den Staatssäckel reißen.

Verbrauchsstatistik

Weizen ist das Hauptnahrungsmittel der Ägypter. Er macht nach Erhebungen aus den Jahren 1979—81 etwa 37% des Nahrungsmittelanteils aus. Auf den weiteren Plätzen folgen Mais mit 16%, Reis mit 10%, Sorghum mit 1,1% und Gerste mit 0,2%. Auf diese Nahrungsmittel entfallen 64,2% des Gesamtverbrauches.

In absoluten Zahlen galt für das Jahr 1986 (Nahrungsmittelverbrauch pro Kopf):

Weizen 174,0 kg   Obst 7,0 kg
Gerste 0,7 kg Zucker 30,3 kg
Hirse 12,4 kg Rindfleisch 12,4 kg
Mais 71,0 kg Schaffleisch 2,4 kg
Reis 33,0 kg Kamelfleisch 0,5 kg
Ackerbohnen 4,5 kg Geflügelfleisch 12,1 kg
Linsen 1,4 kg Fisch 5,5 kg
Sesam 0,7 kg Eier 57 Stück
Kartoffeln 15,4 kg Milch u. Milchprodukte 74,6 kg
Gemüse 93,5 kg Öl 1,2 kg
Zitrusfrüchte 19,0 kg  

Im internationalen Vergleich ist der Verbrauch von Weizen und Zucker außerordentlich hoch, die Ägypter verzehren bei Weizen ein Drittel mehr und bei Zucker etwa doppelt so viel wie die Bürger anderer Länder.

Verhältnis von Eigenproduktion und Einfuhren

In den letzten drei Jahren wurden folgende Mengen von Grundnahrungsmitteln eingeführt (Angaben in Mill. Tonnen)

  1986 1987 1988
Weizen 4,3 5,2 5,2
Weizenmehl 1,4 1,4 1,5
Mais 2,0 2,2 2,3
Öl 0,5 14 0,4

Ein genauerer Blick auf die Zahlen des Jahres 1987 zeigt das Ausmaß der Importabhängigkeit: (aus anderer Quelle als zuvor):

  Produktion
Mill. t.
Einfuhr
Mill. t.
Verbrauch
Mill. t.
Selbstversor-
gungsgrad %
Weizen (inkl. Mehl) 2,40 7,10 9,50 26
Mais 4,20 2,20 6,40 65
Zucker 1,00 0,60 1,60 62
Öl 0,16 0,47 0,63 25

Der Anteil der Selbstversorgung ist stetig zurückgegangen. Die nachstehende Grafik zeigt dies für den Zeitraum von 1978 bis 1984. Dabei ist für Erzeugung, Bevölkerung und Relation Erzeugung/Kopf der Wert von 1978 gleich 100 gesetzt worden:

Verteilung Bevölkerungs-
wachstum
Nahrungsmittel-
produktion
Produktion
pro Kopf
Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittelproduktion 1978—1984
(1978 = 100%)
 

Das Bild zeigt die klaffende Schere zwischen dem Verlauf der Erzeugniskurve und dem der Bevölkerungszahl und entsprechend verläuft die Versorgung pro Kopf monoton fallend. Für die Beurteilung der Zukunft ist maßgeblich, daß dem entscheidenden negativen Risiko – der Bevölkerungsentwicklung – keine erkennbaren positiven Aspekte gegenüberstehen. Die Schere wird sich weiter öffnen.

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Subventionierung – früher Lob, heute Tadel
von Marita Riedel-Knisel

Papyrus-Logo Nr. 5—6/89, pp. 6—8

Inflationsschutz und die Sicherung der billigen Versorgung der Bevölkerung, insbesondere der einkommensschwachen Gruppen, mit Grundnahrungsmitteln sind die Ziele des ägyptischen Subventionierungssystems. Die durch das Bevölkerungswachstum bedingten Verbrauchssteigerungen konnten angesichts der Vernachlässigung der Landwirtschaft in den letzten 30 Jahren nicht durch Erhöhung der Eigenproduktion aufgefangen werden. Die Abhängigkeit vom Ausland hat sich verstärkt. 60% aller Nahrungsmittel werden importiert. Bei den subventionierten Grundnahrungsmitteln ist die Importabhängigkeit zum Teil erheblich: etwa 30% des Mais-, 75% des Weizen- und 50% des Zuckerbedarfs werden im Ausland gedeckt.

1989 hat sich die Lage durch die Erhöhung des Weltmarktpreises für Weizen von 90—100 US-Dollar 1988 auf 150—160 US-Dollar 1989 noch verschärft. Der Finanzmehrbedarf für den Weizenimport wird bei einer von 5,6 auf 6 Mill. t erhöhten Verbrauchsmenge auf 400 Mill. Dollar geschätzt. Für das Haushaltsjahr 1988/89 bezifferte Präsident Mubarak in einer Rede am 30.5.1988 die Staatsausgaben für Nahrungsmittelsubventionen auf 2,0 Mrd. LE, zusätzlich 1,7 Mrd. LE für die Brotsubventionierung.

"Headache" der ägyptischen Regierung

Seit Ausweitung und Kostenexplosion in den 70er Jahren stehen die Subventionen im Mittelpunkt der Kritik an der ägyptischen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sie wird insbesondere auch vom Internationalen Währungsfonds vorgetragen. Die sozialpolitische Wirksamkeit und Notwendigkeit wurde andererseits früher in mehreren Studien von internationalen Expertengruppen bestätigt. Gelobt wurde insbesondere das im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern gut organisierte staatliche Distributionsnetz auf dem Land. Auch wird das System als verteilungsgerecht beurteilt. Die Forderungen der Kritiker reichen von radikaler Abschaffung bis zur Reformierung des Systems zum Abbau der negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen.

Das größte Übel ist, daß ein ständig zunehmender Teil der subventionierten Grundnahrungsmittel im Ausland zu Weltmarktpreisen und in Fremdwährung beschafft werden muß. Die verschärfte Zahlungsbilanzproblematik, die importierte Inflationierung des Systems bei steigender Staats- und Auslandsverschuldung und die Belastung durch den internationalen Schuldendienst haben das sozialpolitisch gut gemeinte Subventionspaket zu einem "headache" der ägyptischen Regierung werden lassen.

Ägyptens Bevölkerung ist verwöhnt

Ägypten führte bereits 1942 erstmalig ein System von Einzelhandelspreis- und Mengenkontrollen für Nahrungsmittel ein. 1945 beliefen sich die staatlichen Aufwendungen auf 2,0 Mill. LE, 15 Jahre später auf 9,0 Mill. LE. Danach erfolgte der Aufbau eines komplexeren Systems mit entsprechendem Verwaltungsapparat.

Die direkten Subventionen für Nahrungsmittel und Energie insgesamt stiegen von 108 Mill. LE 1973 (entspricht 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und 7% der Staatsausgaben insgesamt) auf 2,0 Mrd. LE 1980/81 (13% des BIP und 20% der Staatsausgaben). (Im PAPYRUS-Heft wurde "2,0 Mill." statt "2,0 Mrd." geschrieben –Anm. KFN.) Der Nahrungsmittelanteil an den Gesamtsubventionen für Verbrauchsgüter sank im gleichen Zeitraum von 86% 1973 auf 67% 1980/81, der Anteil von Weizen und Mehl von 58% 1973 auf durchschnittlich 39% zu Beginn der 80er Jahre.

Die Regierung Mubarak wollte im ersten Fünfjahresplan den Budgetansatz für Nahrungsmittelsubventionen real auf jährlich 2,0 Mrd. LE festschreiben. Der Anteil der Subventionen am Bruttoinlandsprodukt sollte gemäß den offiziellen Statistiken von 13% 1980/81 auf 5% 1984/85, der Anteil an den Staatsausgaben von 20% 1980/81 auf 11% 1984/85 sinken. Hierbei ist anzumerken, daß es sich bei diesen Zahlen um Bruttoinvestitionen handelt. Um die realen Werte zu berechnen, müssen Abgaben und Gebühren abgezogen und entsprechend der jeweiligen Inflationsrate deflationiert werden. Über die tatsächlichen genauen Zahlen der letzten Jahre ist nur schwer zuverlässiger Aufschluß zu erhalten.

Die Subventionierung im einzelnen

Die subventionierten Grundnahrungsmittel, namentlich Weizen, Mehl, Mais, Speiseöle und -fette, Tee, Zucker, Bohnen, Linsen, gefrorenes Rind- und Geflügelfleisch und gefrorener Fisch, werden unter Beschaffungspreis an Verbraucher und Produzenten über staatliche Distributionskanäle verteilt. Einige Nahrungsmittel wie Zucker und Reis werden in rationierten Grundmengen zu subventionierten Preisen an Verbraucher mit Lebensmittelrationsheften weitergegeben. Die Grundversorgung dieser Mengen ist staatlich garantiert. Je nach Verfügbarkeit können weitere Mengen zu höheren subventionierten oder zu Marktpreisen beschafft werden. Für diese Verbrauchsmengen gibt es keine Versorgungsgarantie. Über 90% aller ägyptischen Haushalte verfügt über Rationierungshefte.

Brot ist nicht rationiert und wird zu landesweit geltenden Festpreisen weitergegeben. Die autorisierten Bäcker erhalten entsprechend subventionierte Mehlmengen. Mehl für Feinbackwaren wird zu höheren Preisen an Weiterverarbeiter verkauft, die in der Preisgestaltung frei sind. Feinbackwaren gelten nicht als Grundnahrungsmittel einkommensschwacher Bevölkerungsschichten. Die Rationierung von Bohnen und Linsen wurde ausgesetzt; die Verfügbarkeit ist nicht gewährleistet. Gefrorenes Rind-, Geflügelfleisch und Fisch werden ohne Mengenbeschränkung und Versorgungsgarantie über Staatsverkaufsstellen mit Gefrierkapazitäten weitergegeben.

Große Mengen subventionierter Grundnahrungsmittel werden an staatliche Verbraucher weitergegeben wie Krankenhäuser, Militär, Schulen, Hotels usw. Dieses Faktum ist bei der Berechnung der effektiven Spareffekte für den Staatshaushalt zu berücksichtigen. Auch Weiterverarbeiter erhalten Nahrungsmittel zu subventionierten Preisen, z.B. Viehzüchter Mais, Cafés und Restaurants Zucker.

Die Kritik am System

Die extrem hohen Verbrauchsmengen Ägyptens bei Weizen – der Pro-Kopf-Verbrauch liegt mit 184 kg an der Weltspitze – wird häufig mit Verschwendung wegen zu niedriger subventionierter Preise begründet. Vergessen wird bei dieser Argumentation, daß die Brotqualität wegen einer Kette von Mängeln bei Lagerung, Transport und Fertigung für den menschlichen Verzehr nicht ausreichend gut ist. Dies gilt auch für andere Nahrungsmittel. So sind die Nahrungsmittelverluste durch Verderb außerordentlich hoch.

Weiterer Kritikpunkt ist der mangelnde Produktionsanreiz wegen der Preissubventionierung. Den Rückgängen im Getreide- und Bohnenanbau stehen Zuwächse im Klee-, Zuckerrohr, Gemüse- und Obstanbau gegenüber.

Bei diesen Entwicklungen spielen viele politische Aspekte eine Rolle. Die Regierung scheut sich offenkundig davor, die indirekten Einkommensverbesserungen über Subventionen durch Kostenpreise und realistische Löhne abzulösen, weil die mit einem solchen sozialpolitischen Umbruch verbundenen Verwerfungen ihren Kritikern in die Hände spielen würden. Andererseits wird sie von der politisch oft unbedarften internationalen Entwicklungsbürokratie dazu gedrängt. Dieses Spannungsfeld wird Ägyptens Politik noch lange bestimmen.

Der Artikel verwendet für das System der Subventionen folgende Studie:
    • El-Issawy, Ibrahim H.: Subsidization of Food Products in Egypt. Paper prepared for the Food-Energy Nexus Programme of the United Nations University; Institute of National Planning, Cairo, Egypt, December 1975.

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Weizen und Nahrungsmittelprobleme aus der Sicht eines ägyptischen Experten
von Prof. Dr. H.Sherif

Papyrus-Logo Nr. 5—6/89, pp. 9—11

Der größte Teil der Länder in der Welt ist in der Ernährung von Weizen abhängig. Zweifellos wird die Abhängigkeit von Weizen in den Entwicklungsländern immer größer, da Weizen besonders zur Herstellung von Brot eine große Rolle spielt. Und Brot ist zu anderen Nahrungsmitteln vergleichsweise billig.

Für Ägypten ergibt sich das Problem aus der Weizenproduktion, was folgende Zahlen verdeutlichen sollen: Bisher überschreitet die jährliche Produktion nicht 1,9 Mill. t, während der Verbrauch mehr als 9 Mill. t/Jahr beträgt. Das heißt, daß jährlich zwischen 7—8 Mill. t Weizen importiert werden müssen, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen, denn Weizen ist Hauptnahrungsmittel. Wenn man bedenkt, daß der Weltmarktpreis für Weizen pro Tonne 150—200 US-$ beträgt, so wird klar, welche Menge an Devisen ausgegeben werden muß, die zur Lösung anderer wichtiger Probleme notwendig wäre.

Es stellt sich die Frage, weshalb die Weizenproduktion in Ägypten hinter dem Bedarf so weit zurückbleibt.

1. Die jährliche Weizenanbaufläche ist zu klein.

Die landwirtschaftliche Fläche in Ägypten ist zur Sicherstellung der Ernährung von 54 Millionen Menschen zu klein. In den letzten 20 bis 30 Jahren ist sie durch Bebauung von Fruchtland im Delta und Niltal geringer geworden. Ebenso wurde die fruchtbare obere Bodenkruste zur Herstellung von Ziegeln verwendet. Um die übriggebliebene Fläche geht der Kampf zwischen Mensch und Tier. Es gilt die Entscheidung zu treffen, ob im Winter Weizen oder Futterpflanzen zur Tierproduktion angebaut werden.

Lösungsvorschläge:

  • Erhöhung der privaten Investitionen zur Neulandgewinnung zur Produktionserweiterung
  • Unterstützung kleiner Bauern auf dem Neuland durch den Staat, Schaffung einer Basis zum Bebauen von Land und zum Leben für die Menschen (Strom, Wasser, Wasserpumpen zur Bewässerung)
  • keine Bodenspekulationen auf dem Neuland zulassen.
2. Bauern bauen Weizen nur ungern an.

Gründe dafür sind einerseits der niedrige Aufkaufpreis des Staates für Weizen und andererseits die lange Vegetationsperiode beim Weizen, so daß Bauern lieber Gemüse anbauen, mit dem schneller mehr Geld zu verdienen ist. Um dem zu begegnen, sollten die Aufkaufpreise für Weizen erhöht werden. Aber auch Fruchtfolgestudien, die die Bauern verpflichten, im Winter Weizen anzubauen, würden Erfolg versprechen.

3. Geringe Erträge ägyptischer Sorten

Hier steht eine große Aufgabe vor den Pflanzenzüchtern. Es werden neue Weizensorten mit höheren Erträgen/Feddan gebraucht.

Wenn man diese drei Hemmnisse beseitigen kann, würde schon ein entscheidender Teil zur Erhöhung der Produktion von Weizen erreicht werden. Aber noch andere wichtige Faktoren sind nicht zu unterschätzen, wie der durchschnittliche Verbrauch pro Person in Ägypten an Weizen. So beträgt der jährliche Verbrauch ca. 200 kg/Person. (Demgegenüber steht der Weltdurchschnittsverbrauch von 50—70 kg/Person.) Aber nicht alles wird vom Menschen konsumiert. Ein nicht unbeträchtlicher Teil geht als Futter an die Tiere und ein weiterer Teil wandert als Abfall in den Müll. Daß man das Brot an die Tiere verfüttert anstatt Viehfutter, ist nicht zuletzt im Preis des Brotes ursächlich. Die Verbrauchsart und -weise einerseits und die schlechte Qualität des Brotes andererseits sind dafür verantwortlich, daß große Mengen davon in den Müll geworfen werden.

Zur Zeit finden wir noch zu jeder Mahlzeit Brot auf ägyptischen Tischen gleichzeitig mit Kartoffeln, Reis und Nudeln. Hier muß eine Änderung der Eßgewohnheiten herbeigeführt werden, um den Verbrauch an Brot zu senken. Angestrebt muß als erster Schritt ein Pro-Kopf-Verbrauch von 80—100 kg/Jahr werden mit einer späteren Senkung auf 70—80 kg. Eine solche Senkung des Verbrauchs würde eine Ersparnis von etwa 4 Mill. t im Jahr bedeuten. Damit bräuchten nur noch ca. 3 Mill. t importiert zu werden. Auch diese ließen sich durch Neulandgewinnung zum Weizenanbau und Verbesserung der Sorten schlechthin noch reduzieren.

Eine Qualitätsverbesserung des Brotes ist ebenfalls dringend angezeigt, womit eine Änderung im Verbrauchsverhalten einhergehen müßte. Dadurch würde weniger Brot ans Vieh verfüttert und weniger Brot weggeworfen werden. Außerdem ist eine weitere Erhöhung des Brotpreises angezeigt, was die Menschen ebenfalls zu einem sparsameren und richtigeren Umgang mit diesem wertvollen Nahrungsmittel anregen würde.

Aber auch der Kontrolle des Bevölkerungszuwachses kommt eine entscheidende Rolle zu. Ein eventueller Produktionszuwachs an Weizen wird von einer sich ständig erhöhenden Bevölkerungszahl konsumiert, ohne in der Bilanz wirksam zu werden. Wenn man das Wachstumsproblem der Bevölkerung in den nächsten zehn Jahren nicht entscheidend beeinflussen kann, wird ein weiterer Rückfall in die Verschuldung und Ausbleiben einer Weiterentwicklung nicht aufzuhalten sein. Dann ist an eine Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung schon gar nicht zu denken.

In Zukunft wird es für Ägypten angebracht sein, den Anbau von Roggen zu forcieren. Roggen reagiert im Gegensatz zu Weizen auf widrige Wetterbedingungen viel besser und ist auch geeignet zum Anbau auf leichtem Boden. Eine Beimischung von Roggenmehl zum derzeitigen Brotmehl ist wegen seiner besonderen Qualitätsmerkmale wertvoll. Nicht zu vergessen ist auch, daß man dadurch Importmittel freisetzen könnte. Derzeit wird vom Verbraucher eine durch Roggenmehlzusatz bedingte dunkle Färbung des Brotes nicht akzeptiert. Durch gezielte Aufklärungsarbeit muß dem begegnet werden.

Nicht nur der zukünftigen Nutzung von Roggen zur Lösung der Ernährungsprobleme Ägyptens ist mehr Beachtung zu schenken, sondern auch der Triticale-Forschung (Kreuzung von Weizen und Roggen), womit ich mich zur Zeit beschäftige.

Abschließend möchte ich noch auf einige wichtige Punkte hinweisen, die die Brisanz des Themas für Ägypten verdeutlichen sollen:

  1. Die sogenannten Weizenexportländer werden in Zukunft weniger oder gar keinen Weizen mehr exportieren, weil die ökonomische Lage in der Welt komplizierter und Ernährungsprobleme größer werden. Hinzu kommen Trockenheitsprobleme wie im vergangenen Jahr in den USA. Das brachte eine Preiserhöhung von 150 auf 200 US-$/t mit sich. Schlechte Wetterbedingungen in der Sowjetunion im letzten Jahr sind ebenfalls von Einfluß gewesen, da deren Weizenproduktion rückläufig war und sie mehr Weizen importieren mußten.
  2. In Zukunft könnte eine überschüssige Weizenproduktion durch die Industrieländer zur Energiegewinnung genutzt werden.
  3. Weizen bleibt weiterhin eine politische Ware.
  4. Preise für Weizen steigen ständig.
  5. Ägypten produziert nur etwa 22% seines derzeitigen Verbrauchs an Weizen.
  6. Zur Zeit wird die Meinung vertreten, daß Ägypten kein geeignetes Land zur Weizenproduktion sei. Günstiger wäre es, Pflanzen für den Export anzubauen und mit deren Einnahmen Weizen zu importieren. Diese Meinung möchte ich nicht teilen und das mit den vorstehenden Punkten 1—4 begründen.
Der Verfasser dieses Gastbeitrages arbeitet als Professor für Genetik und Pflanzenzüchtung an der Landwirtschaftlichen Fakultät Moshtohor, Zagazig-Universität, Benha Branch. PAPYRUS veröffentlicht seinen Beitrag unverändert, obwohl einige der Daten von den Angaben abweichen, die wir den Statistiken entnommen haben. Die Tendenz wird dadurch jedoch nicht berührt. Für diesen Beitrag gilt natürlich wie stets für die Artikel im PAPYRUS, daß sie die Meinung des Verfassers wiedergeben. Wir machen diese Anmerkung wegen der Lösungsvorschläge, die wir fachlich nicht beurteilen können.
Die Redaktion

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Nahrungsmittelvertrieb – Schlechte Zensuren
von K.Paul

Papyrus-Logo Nr. 5—6/89, pp. 12—13

Im Jahre 1984 wurde im Auftrage des Ministry of Supply and Home Trade eine Studie angefertigt, die von US-AID finanziert und von der National Cooperative Business Association durchgeführt worden war. Dabei bekam das Verteilungssystem, dessen Rückgrat der Staatshandel ist, schlechte Zensuren. Obwohl seit der Erhebung der Daten einige Zeit vergangen ist, dürften die wesentlichen Feststellungen auch heute noch zutreffen. Diese Annahme wird vor allem durch den Umstand gestützt, daß die Empfehlungen der Studie, die insgesamt der Privatwirtschaft eine größere Beteiligung zuweisen, nur zum kleinen Teil verwirklicht worden sind.

Die Studie trifft die folgenden Feststellungen:
  • Das System der Nahrungsmittelverteilung ist ineffektiv, teuer, verschwenderisch und unhygienisch. Die jährlichen Nachernteverluste belaufen sich auf LE 700 Mill. und würden vier Reihen Lastwagen füllen, die Stoßstange an Stoßstange von Aswan bis Alexandria stehen. Die unzureichende Kapazität auf den Ebenen von Vertrieb und Vermarktung ist die Hauptursache für dieses Problem.
  • Der Versuch, den Umfang der Einzelhandelsbetriebe zu vergrößern, hat begonnen und sollte sich fortsetzen und ausbreiten. Er kann durch ein leistungsfähigeres Großhandelssystem gefördert werden, das dann wiederum wichtige zusätzliche Vorteile aus einer effektiven ländlichen Anlieferung, Bewertung und Verpackung der Erzeugnisse erzielen kann.
  • Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß eine Entwicklung des Nahrungsmittel-Verteilungssystems nach solchen Grundsätzen die Nachernteverluste deutlich vermindert, die Herstellerpreise verbessert und die Verbraucherpreise verringern würde. Auch die hygienischen Verhältnisse würden sich merklich verbessern.
Die folgenden Empfehlungen werden gegeben:
  • Errichtung von drei modernen Großhandelsverteilungszentren in oder nahe Kairo. Diese Zentren würden der Privatindustrie gehören und von ihr verwaltet werden. Sie wären zuständig für Obst, Gemüse, Textilien, Fleisch usw. in einer einzigen Anlage.
  • Errichtung von 20 ländlichen Zentren für Anlieferung, Bewertung und Verpackung, die ihre Erzeugnisse an die drei Großhandelseinrichtungen liefern. Jedes dieser ländlichen Zentren würde einem bäuerlichen Absatzverband gehören und von ihm verwaltet werden.
  • Einrichtung eines Zentrums für Forschung, Fortbildung und Training unter privatwirtschaftlicher Verwaltung, um Unternehmen aller Ebenen aus dem Nahrungsmittelverteilungssystem mit Dienstleistungen und Training zu versehen. Schwerpunkte würden sein: verbesserte Verpackung, verbessertes Transportsystem, Produktentwicklung, Training in Management, Nahrungsmittelverteilungs-Ökonomie, Buchhaltung, Inventurkontrolle, Qualitätskontrolle, Hygiene, Nahrungsmittellagerung und -handel usw. Das Zentrum würde Gebühren für Dienstleistungen erheben und wäre nach einer angemessenen Frist in der Lage, sich finanziell selbst zu tragen.
  • Tilgung von Regierungsläden, um die Entstehung von privaten Supermärkten zu erleichtern, die sicherlich sehr viel effizienter sind.
  • Errichtung einer Präsidentenkommission mit einem erfahrenen Geschäftsführer, der das Vertrauen des Präsidenten besitzt und die Vertretung der Hersteller, Groß- und Einzelhändler, Verbraucher und Regierung ist, um die Erfüllung des Vorhabens zu überwachen. Der Erfolg des Programms hängt zweifellos von einer Entscheidung des Präsidenten ab, es durchzuführen.

Soweit eine kurze Zusammenfassung des Gutachtens. Ägyptens Nahrungsmittelproblem kann langfristig nur mit einer Strategie gelöst werden, die die Komponente der Versorgung einbezieht. Die Vermarktung spielt dabei eine wichtige Rolle, und sie ist, wie diese Studie zeigt, verbesserungswürdig.

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Versorgungsengpässe am Nil – mal fehlt Zucker, mal Mehl
von Norbert Hoyer

Papyrus-Logo Nr. 5—6/89, pp. 14—15

Jüngst mußte sich Ahmeds Familie mit bitterem Kaffee und ungewohntem Tee anfreunden – mal wieder war der Zucker knapp. Dann fehlte es an Mehl. Eine Karikatur in einer Kairoer Oppositionszeitung schildert die Versorgungsengpässe, die die Ägypter immer wieder plagen. "Wenn jemand fragt, ich stehe von eins bis vier in der Schlange nach Brot, von vier bis sechs vor der Gamaeya für Zucker, und wenn es irgendwo Reis oder Mehl gibt, komme ich nicht zurück", sagt da eine Frau ihrem besorgten Ehemann.

Ahmed bekam auf seine Rationierungskarte damals keinen Zucker mehr, und den Einkauf auf dem Schwarzmarkt oder auch "freien Markt" kann er sich nicht leisten. Daß Grundnahrungsmittel knapp sind, ist für die 54 Millionen Ägypter nichts Neues. Zudem klettern die Preise ständig. Die Regierung hat eine Steigerung der Lebenshaltungskosten um 30 Prozent eingeräumt. Auch die strikten Polizeikontrollen auf den Märkten, die Innenminister Zaki Badr vor kurzem noch einmal ankündigte, können daran wenig ändern.

Zucker, Tee, Reis, Speiseöl und beispielsweise Waschmittel erhalten die Ägypter zum größten Teil auf ihre Karte hin bei ihrer Gamaeya, einer speziellen Verkaufsstelle in ihrem Wohnviertel oder Dorf. Die offizielle Begründung ist nicht unbedingt die Knappheit, sondern die Tatsache, daß diese Lebensmittel vom ägyptischen Staat kräftig subventioniert werden. Nur so kann die Mehrheit der Ägypter sich diese leisten. An den staatlichen Zuschüssen, an denen der Internationale Währungsfonds (IWF) seit langem Anstoß nimmt, will Staatschef Hosni Mubarak deshalb auch nicht rütteln. Der heftige Unmut seiner Landsleute wäre ihm gewiß.

Ägypten, dessen landwirtschaftliche Anbaufläche nun einmal weitestgehend auf das Nil-Tal beschränkt ist, muß rund 60 Prozent seiner Nahrungsmittel importieren, um seine Bevölkerung, die auch noch alle acht oder neun Monate um eine Million hungriger Münder wächst, ernähren zu können (vgl. den Beitrag Ägyptens Weizen blüht in Übersee von Dieter Biallas).

Auf drei Milliarden US-Dollar, so wird befürchtet, dürfte sich die Importrechnung bei den Lebensmitteln für Ägypten, das ohnehin schon mit 44 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet ist, für das vergangene Jahr belaufen. Dankbar werden deshalb geschenkte oder verbilligte Lebensmittel aus dem Ausland vermerkt. Jüngst kam der Minister für Versorgung und Binnenhandel, Dschalil Abduldahab, persönlich in den Hafen von Alexandria, als ein Schiff 29.000 Tonnen Weizen aus Frankreich brachte. Weitere Mehl- und Zuckerlieferungen der Franzosen sind angekündigt.

Gleichgültig aber, ob die Ägypter eine grüne (für die ärmeren Schichten) oder eine rote (für die Bessergestellten) Rationierungskarte in der Tasche haben, manchmal gibt es dennoch Probleme. Eine Knappheit an Trockenmilch und anderen Milchprodukten, an Reis und Eiern wurde jüngst in der staatlichen Presse eingestanden. Zu Beginn des Ramadan aber, so versicherte die Regierung, stehe alles zur Verfügung, was es auf die Karte gibt.

Besonders aufmerksam werden die Ägypter aber, wenn etwa eine neue Reissorte zu höherem Preis in den Zeitungen angekündigt wird. Argwöhnen sie doch, daß damit nur eine versteckte Preiserhöhung durchgesetzt werden soll. "Die billigere Sorte ist dann bald aus den Regalen verschwunden", klagt eine Frau. Vor allem der Preis für das Fladenbrot ist so zum Signal innenpolitischer Stabilität geworden.

Gerade im Ramadan, wo nach Sonnenuntergang besonders üppig getafelt wird und besonderes Gebäck auf den Tisch kommt, ist etwa der Zucker besonders wichtig. Da wird vorsichtshalber schon rechtzeitig gehamstert. Denn, so weiß jede Hausfrau am Nil ohnehin, wenn es etwas gibt, muß sie sofort zugreifen.

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Kairos Straßenverkäufer – Zur Lebensmittelversorgung der Stadt
von Katharina Eisele, Claudia Fink und Janine Magg
ausgewählt und gekürzt von Heidrun von Boetticher

Papyrus-Logo Nr. 5—6/2000, pp. 51—56

Mit der zunehmenden Konzentration der Weltbevölkerung in den Städten geht auch eine deutlich sichtbare Verschiebung der Armut vom Land in die Stadt einher. Die Folge sind wachsende Probleme bei der Lebensmittelversorgung, vor allem in den großen Städten.

Im Folgenden wollen wir auf das Lebensmittelversorgungssystem Kairos, das die Nahrungsmittelproduktion, die Nahrungsmittelverteilung, den Nahrungsmittelverbrauch und die gesellschaftliche Reproduktion umfasst, hier vor allem auf die Nahrungsmittelverteilung eingehen. [... ]

Der Nahrungsmitteleinzelhandel ist über den ganzen Großraum Kairo verteilt. Man kann in den einzelnen Stadtvierteln jedoch eine Zusammenballung des Lebensmittelangebots beobachten. Es ist allgemein eine Trennung von kleinen Läden und Verkaufsständen auf der Straße einerseits und den großen Lebensmittelgeschäften und Supermärkten andererseits zu erkennen. An den offenen Verkaufsständen werden hauptsächlich frisches Obst, Gemüse und Lebendgeflügel verkauft. In der Umgebung dieser Stände findet man auch Metzger und Fischverkäufer. Die Läden der unter Präsident Nasser errichteten staatlichen Genossenschaft sind heute in der Auflösung begriffen. Eine besondere Bedeutung kommt in Kairo auf Grund des ungeheuren Brotkonsums der ägyptischen Bevölkerung den Bäckereien zu. Die Bäckereien befinden sich meist nicht direkt im Kern des Marktes, sondern etwas außerhalb, jedoch ebenfalls in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte. Außerdem gibt es noch die "wandernden Händler", die Straßenverkäufer, die die Wohngegenden mit Milch, Obst, Gemüse und gekochten Frühstücksbohnen (fuul) versorgen.

Die Großmärkte für Obst, Gemüse und Fisch wurden von der Regierung in die Gebiete außerhalb der Kernstadt "verbannt". Die Gründe waren vor allem mangelnde Hygiene und durch Lastwagen überlasteter Verkehr in der Innenstadt. In El-Obour, einer Trabantenstadt 30 km nordöstlich von Kairo, wurde 1994 ein moderner, großflächiger Großmarkt errichtet. Er besitzt große, technisch moderne Kühlhäuser, die eine längere und bessere Lagerung der Lebensmittel ermöglichen. [...]

Straßenverkäufer in Matariya oder "Die Suche nach Sicherheit"

Matariya liegt im NO Kairos und hat über 250.000 Einwohner. In den letzten Jahren ist es zu einer schnell wachsenden Randgegend der Stadt geworden. Die Einwohner gehören den unteren Einkommensschichten an. Sie sind zum Großteil öffentliche Angestellte. Viele sind Migranten. In der Nachbarschaft Matariyas sind viele Industrien angesiedelt. Eine Metro-Linie verbindet die Gegend mit der Innenstadt und Helwan.

In diesem Stadtteil haben die Entwicklungsforscher Jörg Gertel und Said Samir eine Studie über die informellen Straßenverkäufer gemacht. Ihre Studie veranschaulicht zum einen einen wichtigen Bereich der Nahrungsversorgung in Kairo, zum anderen werden die Beziehungen zwischen Lebensmittelversorgungssystem und den Grundlagen der Existenz einiger Kairener gezeigt, die auf der Suche nach Sicherheit sind. Die folgenden Betrachtungen bauen auf der Studie von Gertel/Samir auf.

Die Straßenverkäufer spielen eine wichtige Rolle im Ernährungssystem Kairos. Sie bieten Speisen, Snacks und Getränke zu günstigen oder sogar billigen Preisen an. Sie sind zu jeder Tageszeit im Geschäft, schnell erreichbar und alle verkauften Speisen eignen sich zum Sofortverzehr. Der Staat sieht in ihnen allerdings ein Gesundheitsrisiko, und die Behörden empfinden sie als Belästigung, da sie oft keine Läden und Lizenzen besitzen. Die Straßenverkäufer gehören dem "informellen Sektor" an. [Hopkins definiert den informellen Sektor als "Tätigkeiten, die nicht offiziell durch Registrierung und Steuerverfahren erfasst sind und die von kleinen Geschäften bis zu gelegentlichen, individuellen und manchmal illegalen Aktivitäten reichen. Dies ist im Gegensatz zum formellen Sektor, der wirtschaftliche Tätigkeiten beinhaltet, die in einer erkennbaren institutionellen Hierarchie und Struktur irgendeiner Art (Ministerium, Firma usw.) stattfinden, die eine offizielle Genehmigung haben und die, wenn angebracht eine Buchführung besitzen. Der informelle Sektor ist höchst strukturiert und auf seine eigene Weise organisiert, weshalb man 'informell' nicht gleichbedeutend mit 'unstrukturiert' ansehen sollte."] Bei der Betrachtung der Straßenverkäufer interessieren uns hauptsächlich drei Dinge:

  1. die sozio-ökonomische Situation der Verkäufer
  2. die Ausrüstung ihrer Stände und die Bedingungen, unter denen sie verkaufen
  3. die Arbeitssituation.
Allgemeines zum Straßenverkauf

Der Straßenverkauf von Speisen ist ein saisonales Geschäft, d.h. manche Speisen werden nur im Winter verkauft – z. B. gegrillte süße Kartoffeln – andere dagegen nur im Sommer – z. B. Eiscreme.

  • Die Anzahl der Verkäufer ist im Sommer am höchsten.
  • Die Verkäufer haben ihre Stände an öffentlichen Plätzen, Marktplätzen, Schulen und anderen Stellen, die viele potentielle Kunden bieten.
  • Man unterscheidet bei den Kunden zwei Hauptgruppen: Diejenigen, die morgens vor der Arbeit etwas zu essen kaufen (Frühstück), und diejenigen, die abends in ihrer Freizeit dort essen.
  • Zum Frühstück werden hauptsächlich fuul, falafal, koshari oder Lebersandwiches gegessen. Das Abendessen bilden vor allem offal und Lebergerichte.
  • Im Fastenmonat Ramadan gibt es tagsüber keine Verkäufer auf der Straße.
  • Es gibt keine grundsätzliche Spezialisierung der Verkäufer.

Welcher Gesellschaftsschicht gehören die Straßenverkäufer an?
Allein die Tatsache, dass der Straßenverkauf von Speisen dem informellen Sektor angehört, lässt darauf schließen, dass die Verkäufer wohl aus den unteren Einkommensschichten kommen. Die Bestätigung der Vermutung erhält man, sobald man die Wohnverhältnisse der Straßenverkäufer näher betrachtet. Diese stehen mit den Einkommensverhältnissen im Einklang. Über drei Viertel der Straßenverkäufer leben in Mietwohnungen. Im Durchschnitt teilen sechs Personen eine Wohnung:

  • 55% der im Straßenverkauf tätigen Familien haben nur ein (Schlaf-) Zimmer zur Verfügung (im Durchschnitt: 5,1 Personen pro Zimmer),
  • 41% der Familien haben zwei Schlafzimmer (2,7 Personen pro Zimmer) und
  • nur 4% haben drei Schlafzimmer.
  • 32% der 1-Zimmer-Wohnungen haben eine separate Küche,
  • in 63% der 2-Zimmer-Wohnungen gibt es einen Zugang zu einer separaten Küche.

Wer betreibt den Verkauf von Esswaren?
Die Altersstruktur der Verkäufer zeigt alle Altersgruppen auf. Von 13 bis 60 Jahren ist alles vertreten, wobei die Anzahl der unter 20-Jährigen jedoch gering ist. Etwa die Hälfte der Straßenverkäufer ist in Matariya geboren, der Rest aus Oberägypten und dem Nildelta stammende Migranten. 75% der Verkäufer leben mehr als zehn Jahre in der Gegend und derselbe Prozentsatz ist schon seit über zwei Jahren im Geschäft. Für die Mehrheit der Verkäufer stellt ihr Beruf eine feste Arbeit dar.

Der Straßenverkauf ist eine lokale, an den Wohnort gebundene Aktivität. Ein Grund dafür ist beispielsweise die Zubereitung von bestimmten Gerichten zu Hause. Dazu benötigen die Verkäufer die Hilfe ihrer Familie, besonders der weiblichen Angehörigen. 65% sind verheiratet und haben im Durchschnitt vier Kinder. Zusätzlich zu ihren direkten Familienangehörigen unterstützen 24% der Straßenverkäufer noch andere Menschen – meist ältere Leute oder Kranke. Durchschnittlich versorgt ein Verkäufer mit Familie 6,5 Personen durch seine Arbeit. Es gibt zwar unter Umständen noch andere Einkommensquellen, aber das Einkommen aus dem Straßenverkauf ist das wichtigste für die Familie.

Neueinsteiger ins Geschäft sind meist Männer, die ihren Arbeitsplatz verloren haben. Weibliche Verkäufer, die neu einsteigen, sind meist Witwen oder von ihrem Ehemann getrennt lebende Frauen, die das Einkommen ihres Gatten ersetzen müssen. Der Weg in den Straßenverkauf geschieht hier also aus einer Notlage heraus.

Die Ausrüstung der Verkäufer und die Verkaufsbedingungen

Es gibt drei Arten von Verkauf:

  1. Die mobilen Verkäufer ziehen durch die Straßen, um ihre Waren zu verkaufen. Sie bieten hauptsächlich Eiscreme, Liquorice, süße Kartoffeln und Zuckerwatte an.
  2. Die Verkäufer mit den halb-mobilen Ständen haben einen festen Standort, sie können jedoch auch umherziehen. Sie verkaufen meist gegrillten Mais und Tee, manchmal auch koshari und Fleischsandwiches.
  3. Die festen Verkaufsstände können ihren Standort nicht so leicht wechseln. Sie werden genutzt, wenn der Verkäufer komplette Mahlzeiten anbietet. Sie zeigen, dass der jeweilige Verkäufer sich etabliert hat und nicht mehr von der Ausweisung bedroht ist.
Was benötigt ein Verkäufer für einen Stand, wie sind die jeweiligen Stände ausgestattet?

Die Ausstattung hängt mit der Beweglichkeit der Stände zusammen. Die Kosten für einen Stand können von fast nichts bis zu 1.500 LE reichen. Die umherziehenden Verkäufer zahlen durchschnittlich 238 LE für ihre Ausrüstung, die halb-beweglichen Stände kosten etwa 641 LE und die Kosten für einen festen Verkaufsstand betragen im Durchschnitt 820 LE. Am billigsten sind die Geräte, die man für einen Maisstand benötigt. Man braucht nur einen einfachen, mit Holzkohle betriebenen Metallherd (Kosten 3—5 LE). Diese Stände werden meistens im Sommer von Frauen und Kindern betrieben. Verkaufsstände, die Fleischgerichte und koshari anbieten, erfordern die teuerste Ausrüstung. Es werden spezielle Zubereitungsgeräte und -vorrichtungen benötigt. Außerdem sind Investitionen für Tische, Stühle und Teller notwendig. Diese Stände werden meist von Männern betrieben. Am teuersten sind für die Verkäufer der Brennstoff, der Strom und die Reinigungsmittel. Am Abend ist die Beleuchtung der Stände sehr wichtig. Im Winter ist der Brennstoff auf Grund der hauptsächlich heißen Gerichte ein großer Kostenfaktor. Bei Ständen mit geringer Ausstattung sind die Kosten für Holzkohle und Brennmaterial allgemein sehr hoch (bis zu 3 LE pro Tag).

Die Beziehung zu den Behörden

Da die Straßenverkäufer dem informellen Sektor angehören, stellt sich die Frage, wie die Kairener Verwaltung mit ihnen umgeht. Theoretisch werden die Verkäufer von vier Behörden beaufsichtigt: dem Innenministerium, dem Gesundheitsministerium, dem Gouvernorat und dem "Housing and Utilities Ministry". Die Beziehung zwischen Verkäufern und Behörden ist allerdings sehr schwierig. Alle Verkäufer müssen eine Verkaufslizenz besitzen. Es werden jedoch viele Speisen ohne Erlaubnis der Behörden verkauft. "Gekochtes Fleisch, Fisch und Gemüse, Maccaroni und Salate sind verboten. Folglich dürfen die meisten Sandwiches und Gerichte, wie fuul, die diese Zutaten enthalten, nicht verkauft werden. Die Durchsetzung erscheint bei koshari-Verkäufern besonders streng, vielleicht, weil dieses Gericht – zusammen mit den Süßigkeiten – teurer ist als andere Gerichte. Es ist illegal, Zuckerrohr oder Früchte an Straßenverkaufsständen auszupressen; es ist ebenso illegal, frische Fruchtsäfte oder Milch zu verkaufen. Der Verkauf von Eiscreme ist illegal, wenn die Produktion derselben nicht genehmigt ist. Folglich ist zu Hause zubereitete Eiscreme verboten". (Oberägypten / El-Minya - Tinker 1993,3)

Fulstand
In Matariya an Straßenverkaufsständen angebotene Speisen
Blila und kuskusy: Blila ist geschälter Weizen, der in Wasser gekocht wird und mit Zucker, Milch, Nüssen und "butter ghee" als heiße Suppe serviert wird. Sie wird gewöhnlich nur morgens und abends angeboten. Um kuskusy zuzubereiten sind besondere Fertigkeiten nötig: Es wird ein Teig aus Wasser und Mehl zubereitet, durch ein Sieb gepresst, um körnerartige Teigstückchen zu erhalten, die dann in Wasser gekocht werden. Kuskusy wird mit Zucker, Kokosnuss, Butter und Nüssen gereicht und warm gegessen. Preis 50—150 Piaster.
Buza: Buza ist eine dicke Flüssigkeit aus Weizen, Zucker und Hefe. Sie muss zu Hause zubereitet werden. Buza wird kalt in Tassen angeboten. Preis: 10—25 Piaster pro Tasse.
Chick-peas soup (humus shami oder halabissa): Trockene "chick-peas" (Kichererbsen) werden mit ein bisschen Salz, Gewürzen, Zwiebeln, Tomaten und manchmal Möhren in Wasser gekocht, bis sie weich sind. Die Suppe wird normalerweise mit einigen Tropfen Zitronensaft in Gläsern serviert. Preis (hängt von der Menge der Kichererbsen ab): 25—50 Piaster.
Maiskolben (dora maschwy): Der Maiskolben wird auf einem Holzkohlefeuer auf einem kleinen Herd gegrillt. Preis: 25 Piaster ein Maiskolben.
Fuul und falafal (fuul medamis): Fuul besteht aus Bohnen, die einige Stunden bei leichter Hitze (gewöhnlich zu Hause) gekocht werden. Es wird mit Gemüseöl, Gewürzen und Zitronensaft angemacht serviert. Dazu isst man Salat, frisches Gemüse oder baladi-Brot. Falafal besteht aus einer Mischung von zerbrochenen Bohnen und Gemüse (Zwiebeln, Petersilie und Gewürzen). Es wird zu Hause zubereitet und am Verkaufsstand noch einmal richtig durchgekocht. Es wird entweder mit Salatblättern und Gewürzgurken im Brötchen angeboten oder auf dem Teller serviert. Preis: falafal-Sandwich 50 Piaster, ein Teller fuul oder falafal mit Salat ab 75 Piaster.
Hawashi: Hawashi besteht aus importiertem Hackfleisch; grüner Pfeffer und Gewürze werden hinzugefügt, die Mischung wird in einen Brotlaib gefüllt und in einem Ofen erhitzt, bis das Brot durch das geschmolzene Fett knusprig braun wird. Es wird heiß und pikant gewürzt gegessen. Preis: ca. 75 Piaster pro Sandwich.
Offal: Offal besteht aus Hirn, Magen und dem Fleisch anderer Innereien. Das Fleisch wird in Salzwasser und manchmal mit Knoblauch gekocht. Dann werden die Innereien entweder in Öl gebraten oder heiß als Suppe, mit Salat, Gewürzgurken und baladi-Brot gereicht. Preis: 3 LE.
Kabab und kofta: Kabab ist Hammelfleisch, das in Zwiebeln, Zitronensaft und Gewürzen eingelegt wird. Es wird dann auf dem Holzkohlegrill zubereitet und heiß auf Tellern mit Salat und baladi-Brot angeboten.
Kofta ist ebenfalls Hammelfleisch, aber gehackt. Es wird mit Salat und Brot oder als Sandwich serviert. Preis: 1,5 LE pro Sandwich.
Koshari: Koshari ist eine Mischung aus Teigwaren, Reis und geschälten Linsen, die gewöhnlich zu Hause zubereitet wird. Sie wird mit heißer Tomatensoße, gebratenen Zwiebeln und gut gewürzt in Schüsseln oder in baladi-Sandwiches angeboten. Preis (abhängig von der Menge): durchschnittlich 75 Piaster pro Schüssel.
Liquorice: ('irqisuus): Dies ist eine Getränkemischung aus Natron-Sodawasser und dem Auszug aus in kaltem Wasser eingeweichten Pflanzen. Preis: 15 Piaster pro Gas.
Leber (kibda): Es gibt zwei Arten von Ständen, an denen Speisen aus Leber verkauft werden:
Ein Stand bietet kleine Stückchen importierter Leber an, die mit grünem Pfeffer gebraten werden. Die Leberstückchen werden in heißen "roll bread rolls" (fino) mit "free pickles" angeboten. Preis: 50—75 Piaster pro Sandwich. (Wenn ein zweites Fleischgericht an diesem Stand verkauft wird, so sind es meistens Würste.)
Der andere Stand verwendet importierte oder heimische Leber, die in Schaffett (layah) gebraten und auf Tellern oder in Sandwiches angeboten wird. Preis (mengenabhängig): von 1,5 LE für eine Schüssel bis 1 LE für ein Sandwich.
Lupines (tirmis): Das Lupine-Korn wird in Wasser gekocht, bis es weich ist, und für einige Stunden in Salzwasser eingelegt. Es wird in Papiertüten verkauft. Preis (richtet sich nach der Menge): ab 10 Piaster.

Welche Hindernisse stellen sich den Verkäufern in den Weg?

Im Jahr 1964 wurde die Ausstellung von Lizenzen eingestellt. Das einzige zu erlangende Zertifikat ist ein Gesundheitsschein, der in staatlichen Krankenhäusern gegen eine Gebühr von 10 LE ausgestellt wird. Dazu sagt ein Verkäufer aus Matariya: "Es ist kein schwieriger Vorgang; solange du die Gebühren zahlst, kannst du den Schein bekommen – sogar, wenn du tot bist." Das Gesundheitszertifikat ist jedoch kein Schutz gegen Probleme mit öffentlichen Einrichtungen. Zwei Drittel der Verkäufer beklagen sich über Belästigung durch die Behörden. Die Hälfte der Verkäufer wurde mindestens einmal im Jahr mit einer Geldstrafe belegt. Diese Geldstrafe kann bis zu 100 LE betragen. Außerdem werden Arbeitsgerätschaften und Ausrüstungsgegenstände sowie Verkaufsstände oder -karren in schlechtem Zustand beschlagnahmt, auch schlechte Waren werden konfisziert. Dies hat – zusätzlich zum Verlust der Ausrüstung – Umsatzverluste durch die auf der Polizei "vergeudete" Zeit zur Folge. Die Verkäufer sind Erniedrigungen und Demütigungen von seiten der öffentlichen Beamten ausgesetzt. Für die Verkäufer ist dies eine wirtschaftliche Krise: Sie müssen unter Umständen ihr Geschäft aufgeben und sich andere Mittel zum Überleben suchen, was wiederum Auswirkungen auf das Geschehen und die Entwicklungen im informellen Sektor hat.

Die Arbeitssituation

Verkäufer, die im "food business" angefangen haben, bleiben meist dabei. Nur 40% der Verkäufer gingen zuvor einer anderen Arbeit nach, wobei 10% von diesen schon mit dem Essensverkauf auf der Straße zu tun hatten. Der Straßenverkauf von Lebensmittelgerichten ist ein Vollzeitjob. 90% der Verkäufer arbeiten 6—7 Tage in der Woche und durchschnittlich 10 Stunden am Tag. Ihre Arbeitszeit ist jedoch sehr flexibel. Nur 12% haben einen zweiten Arbeitsplatz, um das Einkommen zu ergänzen. Sie arbeiten meist als Angestellte. Der zweite Job beeinflusst die Wahl der Speisen, die verkauft werden: Dies sind meist Speisen mit kurzer oder einfacher Zubereitung. Ein Viertel der Befragten ist nur saisonal im Geschäft und arbeitet sonst in anderen Berufen.

Der Großteil der Verkaufsstände wird jeweils in einer Art "Familienunternehmen" mit Arbeitsteilung betrieben. Gut ein Drittel der Verkäufer verlässt sich und stützt sich auf unbezahlte Arbeit aus der Familie – entweder bei der Zubereitung oder beim Verkauf. Die Verkäufer haben im Prinzip immer Zugang zu familiärer Arbeitskraft und zu familiärem Kapital, so dass keine Personen von außerhalb beschäftigt werden. Nur an wenigen Ständen gibt es bezahlte Hilfskräfte. Diese werden meist von Verkäufern benötigt, die Fleischgerichte anbieten. Es sind normalerweise keine Frauen darunter. Die Stände mit Fleischgerichten machen einen großen Umsatz, sie können sich die Hilfskräfte daher auch leisten. Der Tageslohn einer Hilfskraft beträgt bei den Erwachsenen 5—8 LE und bei den Kindern 3—4,5 LE.

Der Straßenverkauf ist ein leicht zugänglicher Beruf. Nur 41% der Verkäufer haben eine staatliche Bildung erhalten. Diese gehören meist der jüngeren Generation zwischen 20 und 30 Jahren an. Auch die Newcomer sind hauptsächlich junge Leute, die zunehmend Schulbildung haben und in der Lage sind, eine beträchtliche Geldmenge in ihren neuen Beruf zu investieren. Die Kosten für die Ausstattung eines Neueinsteigers betragen durchschnittlich 490 LE.

Die Verbindungen der Straßenverkäufer
zu den anderen Gruppen innerhalb des Lebensmittelversorgungssystems

Die Straßenverkäufer kaufen die Zutaten für ihre Gerichte gewöhnlich in Matariya. Zucker, Öl, Reis und Nudeln beziehen sie von örtlichen Lebensmittelhändlern. Das Brot, zu dem sie im Prinzip unbegrenzten Zugang haben, erhalten sie von den Bäckereien der Umgebung. Sie kaufen also auf dem freien Markt ein. An Hand dieser Tatsache kann man auch begründen, dass die Einstufung der Straßenverkäufer als "unproduktiv" und somit wirtschaftlich mehr oder weniger nutzlos, falsch ist. Denn das Kapital, und somit das Geld, das sie besitzen, bleibt zum Großteil im Viertel bzw. in der Stadt. Dadurch, dass sie das Geld in andere Wirtschaftszweige einbringen, indem sie ihre Zutaten, ihre Ausrüstung usw. hauptsächlich im formellen Sektor erwerben, tragen sie ebenso zum wirtschaftlichen Umsatz und zur Kapitalerweiterung bei wie andere Wirtschaftszweige auch.

 

Schlussbetrachtung: Welche Auswirkungen hat die informelle Aktivität der Straßenverkäufer?

Im Gegensatz zu anderen Studien, die zu dem Schluss kommen, dass die illegalen Straßenverkäufer zum unproduktiven Teil der Gesellschaft gehören und einen Verlust für die nationale Wirtschaft darstellen, behaupten die Verfasser der Studie, die diesem Kapitel unserer Dokumentation zu Grunde liegt, dass das Gegenteil der Fall ist. Ihnen zufolge bietet der Straßenverkauf von Esswaren einen Teil der dringend benötigten Arbeitsplätze für die niederen Einkommensgruppen. Dieser Teilbereich des informellen Sektors ist eine Möglichkeit, Arbeitsplatz und Einkommen zu sichern, da es kein ausreichendes Netz gibt, das Arme in Notsituationen versorgt. Die Tatsache, dass ein Verkäufer im Durchschnitt den Lebensunterhalt von sechs bis sieben anderen Personen bestreitet, zeigt, wie groß die Bedeutung des informellen Straßenverkaufs für Teile der Kairener bzw. der ägyptischen Bevölkerung ist.

Die Straßenverkäufer spielen vor allem in den schnell wachsenden und sich schnell verändernden Stadtrandgebieten Kairos eine große Rolle. Sie leisten zum Teil unschätzbare Dienste an der Gesellschaft. Allein in Matariya verlassen sich ca. 25.000 Menschen – das sind knapp 10% – auf die Straßenverkäufer, jeder Stand versorgt täglich rund 100 Kunden.

Der Straßenverkauf von Esswaren ist eigentlich eine Vollzeitbeschäftigung. Das Einkommen beträgt durchschnittlich zwischen 240 LE und 480 LE im Monat und kann wesentlich höher sein als die Löhne im formellen Sektor. Dieses Einkommen ist jedoch sehr unsicher und kann bei persönlichen Problemen (z.B. Krankheit, Schwierigkeiten mit den Behörden) sehr stark variieren. Wenn jemand also nur im Straßenverkauf arbeitet, setzt er sich selbst großen Gefahren aus, denn es gibt für ihn keinen Rückhalt und keinen Ersatz bei Verlust der Existenz. Die Folge ist, dass viele Menschen versuchen, diese wirtschaftlichen Risiken auf der "Suche nach Sicherheit" zu mindern, indem sie morgens als öffentliche Angestellte arbeiten und nachmittags als Straßenverkäufer.

Wie sieht die Zukunft der Straßenverkäufer aus?

Gibt es eine Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern, so dass sie ihr Einkommen allein aus dem Straßenverkauf beziehen können? Wie auf fast alle anderen Fragen auch ist hier die Antwort: Die Rolle des Staates ist entscheidend. Die wirtschaftliche Unsicherheit der Straßenverkäufer muss von der Regierung als zentrales Problem verstanden werden. Die Verkäufe dürfen nicht weiter als "informell", was fast immer mit "illegal" verbunden wird, eingestuft werden. Die Regierung sollte erkennen, dass der informelle Straßenverkauf von Esswaren ein Beispiel dafür ist, wie potentiellen, wirtschaftlichen Möglichkeiten, die in der Gesellschaft selbst, besonders in der örtlichen Gemeinschaft kleinerer Gegenden, offen daliegen, effektiv und Gewinn bringend eingesetzt werden können, was Arbeit, Einkommen und Dienstleistungen betrifft. Um den Straßenverkauf höher einstufen zu können und seine legale Ausübung zu ermöglichen, muss sich der Staat mit diesem jedoch – ebenso wie mit allen andren Bereichen des informellen Sektors – offen beschäftigen. Die Förderung der täglichen Praktiken des informellen Sektors auf lokaler Ebene erfordert großes Wissen über die Praktiken. Damit verbunden sind folglich neue Annäherungen an den informellen Sektor. Auf der obigen Grundlage muss es Ziel und Aufgabe der Regierung sein, gültige Lizenzen zu vergeben, den Zusammenschluss der Verkäufer in einer eigenen Organisation und die Zusammenarbeit mit den örtlichen Einrichtungen zu fördern, um "Sicherheitspläne" (Renten und Versicherungen) für die Straßenverkäufer zu erarbeiten.

Das allgemeine Ziel der Ernäherungssicherheit für die Bevölkerung muss durch das Ziel der sozialen und wirtschaftlichen Sicherheit der in diesem Bereich Beschäftigten – d.h. in diesem Fall der Straßenverkäufer – ergänzt werden, um das Erstere zu gewährleisten.

Die drei Schülerinnen des Hölderlin-Gymnasiums Stuttgart haben sich in ihrer Seminararbeit 1998/99 mit der Megastadt "Kairo" auseinandergesetzt und diese PAPYRUS zur Verfügung gestellt. Kairo kennen sie bisher nur aus Büchern und Artikeln. Ihre Seminararbeit, die auch ein Literaturverzeichnis enthält, ist im Goethe-Institut einzusehen.
Für den Abschnitt über die Straßenverkäufer haben die Schülerinnen verwendet:
    • Jörg Gertel "The metropolitan food system of Cairo", o.J.

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Die Wüste schreitet voran
von Bernhard Homeyer

Papyrus-Logo Nr. 2/89, pp. 23—26

Desertifikation und Möglichkeiten ihrer Verhinderung

Die schleichende Zerstörung des Landnutzungspotentials ist ein Phänomen, das im Zuge der Umwandlung der Naturlandschaft durch den Menschen überall auf der Erde auftreten kann. Wo der Mensch aber der Natur keine Chance mehr läßt, sich wieder zu regenerieren, droht große Gefahr: Die Vegetation verschwindet, der Boden wird abgetragen, der Wasserhaushalt stimmt nicht mehr. Zu einer totalen Zerstörung der Natur oder gar zur weitgehenden Verwüstung und damit zur Schaffung wüstenähnlicher Zustände (= Desertifikation) kommt es jedoch vor allem in den klimatisch trockenen Randzonen der großen Naturwüsten der Erde: den Steppen und Wüstensteppen, den Dornbusch- und Trockensavannen.

Ist es nun allein der Landmißbrauch, der wüstenähnliche Bedingungen schafft? Trägt vielleicht das veränderte Klima die Hauptschuld?

Im Rahmen der außerordentlichen Schwankungsbreite des Klimas der subtropischen und tropischen Trockengebiete ist vor allem die Variabilität der Niederschläge besonders groß. Als bestes Beispiel sei hier nur Kairo genannt: Diese Großstadt in der Flußoase Nil am Beginn des Deltas liegt auf dem 30. Breitengrad und erhält nur seltene und schwache Winterregen. Die Niederschläge fallen in den Monaten Oktober bis Mai, doch beschränken sie sich meist auf die Monate November bis März. Das langjährige Jahresmittel beträgt etwa 27 mm mit Einzelwerten von 6,9 bis zu 94 mm. Jahre mit Regen unter dem Mittel sind am häufigsten, es kommen aber wenige Jahre mit sehr hohen Niederschlägen vor, welche die Wasserreserven im Boden für Jahrzehnte wieder auffüllen.

Karte Nordafrikas
---------- agronomische Trockengrenze; - - - - - - vorgerückte Anbaugrenze im Sahel
Das Vorrücken der Anbaugrenze gegen die Wüste im Sinai

Ganz allgemein wird in feuchteren Jahren aufgrund der starken Bevölkerungsvermehrung der Anbau landwirtschaftlicher Früchte immer mehr in die Wüstenrandgebiete verlagert, in der Hoffnung, das Klima bleibe nun ausreichend feucht und beschere auf lange Sicht eine größere Nutzungsfläche. Wenn nun nach wenigen Jahren der Regen wieder ausbleibt, ist die Not groß, sind die Folgen verheerend. Solche periodischen Klimaschwankungen lassen sich mit den heutigen Methoden der Meteorologie leider nicht eindeutig voraussagen. Auf die Niederschlagsverhältnisse in Ägypten in der Vergangenheit bis heute wird an anderer Stelle eingegangen.

Der Vorgang der Desertifikation umfaßt gegenüber den langfristigen Klimaveränderungen einen viel kürzeren Zeitraum, in dem die Zerstörung des ökologischen Systems schnell voranschreitet. Desertifikation ist also ganz überwiegend ein anthropogener Prozeß innerhalb der Trockengebiete der Erde. Dem Mißbrauch des begrenzten Landnutzungspotentials in dem labilen Ökosystem der Wüstenrandzonen muß daher die Hauptbedeutung in diesem Problemkreis zugewiesen werden.

Zusammenfassend kann folgendes festgehalten werden:
  • Desertifikation ist ein Prozeß der Zerstörung des ökologischen Nutzungspotentials durch nicht angepaßte Landnutzungsmethoden in den klimatisch bedingten Trockengebieten der Erde und ihren Randbereichen.
  • Desertifikation führt zur Wüstenausbreitung bzw. zur Schaffung wüstenähnlicher Bedingungen durch den Menschen.
  • Durch Desertifikation entstehen zum Teil irreversible Schäden für die Bewohner dieser Landstriche.

Nicht in allen semiariden Gebieten der Welt ist der Prozeß der Desertifikation gleichermaßen stark verbreitet oder fortgeschritten, dennoch fehlt er auf keinem Kontinent. Bekanntlich sind alle mittelmeerischen Küstenländer schon seit der Antike davon betroffen, verursacht vor allem durch die unkontrollierte Nutzung und Abholzung der ausgedehnten Waldbestände. Für Ägypten betrifft dieses insbesondere die nördliche Küste entlang dem Mittelmeer, einem Landstrich bis zu 100 km tief und mit Niederschlägen bis zu 150 mm. Laut Angaben der FAO ist dieser Landesteil Ägyptens von der Desertifikation sehr stark betroffen, während alle anderen Landesteile ihr nur gering unterliegen.

Bedroht sind aber auch reine Wüstengebiete durch Versalzung in den Oasen, durch Abholzung in einst baumreichen Wadi-Tälern zur Gewinnung von Brennholz. Die natürlichen Gras- und Strauchbestände werden flächenhaft vernichtet durch Überweidung, Baum- und Buschbestand wird zerstört. Die Vegetation wird allgemein in ihrer Regenerationsfähigkeit stark herabgesetzt, so daß sie schließlich ganz verschwindet. Damit wird die Anfälligkeit aller Böden für Erosion durch Wind und gelegentliche Starkregen erheblich verstärkt. Die Folgen sind Sandverlagerungen, Dünenbildung und Ausblasung der wichtigen Feinanteile des Bodens mit rapider Abnahme der hier ohnehin geringen Ernteerträge, bis schließlich jeglicher Ackerbau aufgegeben werden muß.

Was kann man nun gegen die zunehmende Desertifikation unternehmen? Alle Maßnahmen im Kampf gegen die Desertifikation müssen sich den jeweiligen ökologischen und ökonomischen Verhältnissen differenziert anpassen. Diese Maßnahmen müssen zunächst der Bevölkerung durch Schulung klargemacht werden, dann erst können sie mit deren Hilfe erfolgreich durchgeführt werden.

Was ist weiter zu tun?

Die natürliche Vegetationsdecke muß durch gezielte Maßnahmen zumindest gebietsweise wieder hergestellt werden bzw. sich selbst regenerieren können. Dies kann nur erreicht werden, wenn größere Areale durch Umzäunung vor Beweidung geschützt werden. Durch forst- und agro-forstwirtschaftliche Maßnahmen wird gleich mehreres erreicht: Brennholz wird produziert, Wind- und Wassererosion wird verringert, und schließlich wird auch begrenzter Ackerbau möglich. Durch Auswahl geeigneter Baumarten (Acacia ssp., Leucaena ssp. etc.) aus der Familie der Leguminosen ist sogar eine Bodenverbesserung durch diese stickstoffsammelnden Pflanzen mit der Aussicht auf höhere Ernteerträge möglich. Als Forstpflanzen sind insbesondere Tamarix, Casuarina und Eucalyptus geeignet, die beiden ersten Arten lassen sich einfach durch Stecklinge vermehren. In Bewässerungskulturen im Neulandgebiet Ägyptens ist Tamarix als salztolerante Pflanze vor allem in den Depressionen der Oasen mit ihrer starken Bodenversalzung zur Aufforstung geeignet. Casuarina als weniger salztoleranter Baum eignet sich besonders im Anbau als Windschutz in der Neulandgewinnung in den Randgebieten des Deltas. In diesen Gebieten ist in nur geringer Tiefe von 10—15 m Grundwasser vorhanden, was die Wurzeln von Casuarina und Eucalyptus bei geringerer Anfangsbewässerung schon in wenigen Jahren erreichen. Diese schnellwüchsigen Bäume können alle 20—25 Jahre geschlagen werden, vom Stumpf treiben sie als Stockausschlag wieder aus.

So kann man in begrenztem Maße Wüsten mit Grundwasser in geringer Tiefe aufforsten, wenn man die ersten Jahre nach dem Pflanzen der Baumstecklinge und -setzlinge so stark bewässert, daß der ganze Boden bis zum Grundwasser durchfeuchtet wird.

Ein besonderes Problem im Kampf gegen die Wüste stellen natürlich die Wanderdünen dar, die mit ihrem sterilen Sand landwirtschaftlich nutzbare Flächen, Straßen und Dörfer bedrohen. In Ägypten findet man Wanderdünen fast ausschließlich in der Westlichen oder Libyschen Wüste, wo vor allem das New Valley von ihnen bedroht ist.

Auch Wanderdünen lassen sich festlegen, vor allem mit Hilfe von Palmblattzäunen werden bedrohte Felder vor Übersandung geschützt. An solchen mehrfach gestaffelten Zäunen wird die Windkraft gebrochen, und der feine Flugsand lagert sich ab. Diese Palmblattzäune sind daher regelmäßig zu erhöhen bzw. zu erneuern, um ihre Wirksamkeit zur Dünenbefestigung und als Windschutz zu erhalten.

Mancherorts werden Dünen durch Aufsprühen von Erdöl festgelegt, es erfolgt flächenhaft, streifenweise, in Kreisen oder Zirkeln. In Senken läuft bei Niederschlägen das Wasser zusammen, so daß in diesen neugeschaffenen ökologischen Nischen Wildpflanzen Fuß fassen können und Kleinbiotope bilden.

Wirksamer ist jedoch eine Dünenbefestigung durch natürlichen Bewuchs, der durch Einfriedung vor Beweidung geschützt wird und so regenerieren kann, oder auch durch künstliche Bewässerung gefördert werden muß. Selbst durch Bewässerung mit sehr stark salzhaltigem Drainagewasser wird der Grundwasserspiegel im betroffenen Gebiet angehoben, und es kann sich eine Halophyten-Flora mit sehr salztoleranten Pflanzen wie Tamarix, Atriplex, Zygophyllum, das Gras Erafrostis, Limoniastrum etc. ausbilden. Eine der Pionierpflanzen ist auch hier die Tamariske, die unter anderem teilweises oder auch völliges Einsanden durch Wanderdünen schadlos übersteht.

Literatur:
    • Achtnich, W., Bewässerungslandbau, Verlag Eugen Ulmer, 1980.
    • Täckholm, V., Student's Flora of Egypt, 2nd Edition, 1974.
    • Walter, H., Vegetation und Klimazonen, UTB – Eugen Ulmer Verlag, 1984.
    • Walter, H. und S.-W.Breckle, Ökologie der Erde, Band 2, UTB – Gustav Fischer Verlag, 1984.

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Liegt die Zukunft in der Wüste?
Das Konzept der ägyptischen Neulandgewinnung

von Dr. Paul-Theo Schütz

Papyrus-Logo Nr. 1/88, pp. 13—18

Da saßen wir also Ende September in Alexandria und sollten zusammen mit Vertretern des ägyptischen Landwirtschaftsministeriums über zukünftige Schwerpunkte der Deutschen Technischen Zusammenarbeit diskutieren. Wir – das waren die "GTZ-Experten" hiesiger landwirtschaftlicher Projekte. Alle ägyptischen Kollegen forderten unisono, daß die Neulandgewinnung ein solcher Schwerpunkt sein sollte. "Unsere Zukunft liegt in der Wüste."

Dieses Begehren ist an und für sich nicht verwunderlich. Jährliche Flächenverluste im Niltal durch Bebauung verringern systematisch die hervorragenden und sehr ertragreichen Böden. Der Nahrungs- und Siedlungsbedarf kann ohnehin nicht mehr aus den Böden befriedigt werden, was an den hohen Nahrungsmittelimporten und den neuen Städten in der Wüste um Kairo herum zu erkennen ist.

Dennoch hatten sich in den letzten Jahren alle ausländischen Experten, allen voran die "Presidential Mission" von Präsident Carter, für die Steigerung der Intensität im Niltal ausgesprochen und gegen ein verstärktes Engagement in der Neulandgewinnung. Die These lautete, die Neulandgewinnung sei zu kostspielig und liefere bei weitem nicht die Erträge wie die Schwemmlandböden des Niltals, wo mit neuen Sorten und verbesserter Anbautechnik noch beachtliche Ertragssteigerungen erreicht werden könnten.

Von diesen Thesen scheinen die ägyptischen Experten weitgehend unbeeindruckt. Seit Beginn der 50er Jahre sind laut offizieller Statistik rund 1,2 Millionen Feddan (1 Feddan = 0,42 ha) Wüste bzw. Wüstenrand urbar gemacht worden. Etwa die gleiche Fläche ist aber im Niltal durch Bebauung verloren gegangen. Dazu ist aber anzumerken, daß die verlorenen Flächen eine wesentlich höhere Ertragsfähigkeit besaßen.

Der neue Fünfjahresplan ist in dieser Hinsicht noch wesentlich ehrgeiziger, denn in den nächsten fünf Jahren sollen jährlich mehr als 100.000 Feddan neu erschlossen werden.

Bei solch anspruchsvollen Plänen und den oben genannten Bedenken ausländischer Experten stellt sich natürlich die Frage, welches langfristige Konzept dahinter steht.

Zur Geschichte

Die Geschichte der Nutzbarmachung der Wüstenflächen für die landwirtschaftliche Produktion beginnt im großen Stil in den fünfziger Jahren. Die Zuständigkeiten wechselten mehrmals. Zeitweise gab es ein eigenes Ministerium für diesen Aufgabenbereich, zeitweise gehörte Neulandgewinnung zum Ministry of Housing und seit neuerer Zeit liegt die Verantwortung wieder beim Landwirtschaftsministerium, das zwischendurch auch schon einmal verantwortlich war.

Hinsichtlich der zu reklamierendem Gebiete unterschied man drei Bereiche:

  1. Reklamierung durch Bau von Brunnen auf der Basis von Grundwasser.
  2. Reklamierung durch den Bau von Brunnen und Nutzung von fossilen Wasservorkommen wie im New Valley.
  3. Reklamierung durch Bau von Kanälen wie in Salhea bei Ismaelia, in der Tahrirprovinz und in Nuberia bei Alexandria als Beispiele großflächiger Erschließung.

Die folgende Betrachtung konzentriert sich ausschließlich auf den dritten Punkt, da dieser am wichtigsten ist.

In den vergangenen Jahren und bis heute läuft die Erschließung meist folgendermaßen ab:
Eine Staats- oder Privatfirma führt die Erschließung durch. In Salhea ist es die Firma Arab Contractors und in der Tahrirprovinz ist es die South Tahrir Reclamation Company, eine Firma, die dem Landwirtschaftsministerium gehört.

Erschließen heißt hier Bau von Haupt- und Nebenkanälen, Pumpstationen, Rohrsystemen und Straßen. Das Rohrsystem soll bis an die ausgewiesenen Schläge reichen. Zum Teil werden die erschlossenen Flächen von den Firmen selbst landwirtschaftlich genutzt oder weiterverpachtet. Ein Teil der Flächen wird zum Verkauf an verschiedene Interessengruppen angeboten. Interessen- oder Zielgruppen für den Verkauf sind Bauern und Investmentgruppen. Für Hochschulabgänger der landwirtschaftlichen Fakultäten, die auf ihre versprochene staatliche Anstellung verzichten, stehen Flächen zur Verfügung, die kostenlos zugeteilt werden.

Für Landwirte werden die Flächen zu einem Preis zwischen LE 200 und 1.000 pro Feddan verkauft. Die Zuteilung erfolgt nicht selten in Form einer Lotterie. Firmen oder kapitalkräftige Anleger, hierher gehören auch Rückkehrer aus den Golfstaaten, können Eigentumstitel über Ausschreibungen erwerben. In diesem Falle liegen die Kaufpreise entschieden höher, aber immer noch unter den Bodenpreisen im Niltal.

Im Gegensatz zu den Eigentumsbegrenzungen für landwirtschaftlichen Boden im Niltal (50 Feddan für eine Einzelperson und 100 Feddan für eine Familie) können wesentlich größere reklamierte Flächen erworben werden. Eine natürliche Person kann bis zu 200 Feddan, Familien bis zu 300 Feddan besitzen. Für juristische Personen liegt die Grenze bei sage und schreibe 50.000 Feddan.

In der Vergangenheit verlief die landwirtschaftliche Nutzung ähnlich der traditionellen Bewirtschaftung im Niltal. Das heißt, es wurden in der Regel die gleichen Feldfrüchte angebaut. Der Unterschied lag im Bewässerungssystem. In den Neulandgebieten steht in der Regel permanent Wasser zur Verfügung, da hier täglich bewässert wird. Die Bewässerung erfolgte bisher meist über Pivotanlagen oder ähnlich arbeitende Rohrsysteme, die ständig verlegt werden müssen. Beim Pivotsystem dreht sich ein langes Rohr mit Rädern um einen zentralen Punkt und ähnlich einer Gießkanne wird das Land gewässert. Eine weitere Art der Bewässerung sind Sprinkler, die ebenfalls regelmäßig umgestellt werden müssen.

Die schon erwähnte Kritik der Experten richtete sich vor allem gegen den Umstand, daß hier traditionelle Anbaufrüchte mit hohen Investitionen auf schlechten Böden angebaut werden. Die dabei erzielten niedrigen Erträge in Verbindung mit der staatlichen Agrarpreisordnung ließen diese Art der Neulandgewinnung als reine Geldverschwendung erscheinen.

Das aktuelle Konzept

Was ist nun anders geworden? Die großflächige Erschließung verläuft nach wie vor gleich, aber in den Rahmenbedingungen sind merkliche Änderungen eingetreten und für Ägypten neue Techniken wurden eingeführt.

Seit Mitte dieses Jahres sind die Agrarpreisregelungen gelockert worden und die Erzeuger können höhere Preise erzielen.

Die Neulandgewinnung ist nun untrennbar verbunden mit dem Begriff "Protected Agriculture". Damit ist der Anbau in Gewächshäusern oder beetgroßen Plastiktunnels gemeint. Die Verwendung von Gewächshäusern bedingt dann auch eine andere Art der Bewässerung, nämlich der Tröpfchenbewässerung. Diese Bewässerungsart ist momentan auch die Wassersparendste. Darüber hinaus ist es mit Grünhäusern möglich, ganz andere Früchte anzubauen, auch in normalerweise untypischen Jahreszeiten. Als lohnend werden hier Gemüse, Obst und Zierpflanzen vor allem für den Export angesehen. Übrigens werden den Mitgliedern von Siedlungsgenossenschaften keine Anbaufrüchte vorgeschrieben.

Wenn die Anbaufrüchte exportiert werden, darf der Exporteur uneingeschränkt über die erlösten Hartwährungen verfügen.

Natürlich haben diese Neuerungen auch Nachteile. Ein großer Nachteil ist, daß diese Art der Landbewirtschaftung viel Geld kostet. Da wären die Anschaffungskosten für die Gewächshäuser und die Bewässerungsanlagen. Die Plastikgewächshäuser werden mittlerweile lokal hergestellt, kosten aber pro Einheit immer noch etwa LE 5.000 mit dem Tröpfchenbewässerungssystem. Dem Plastik wird eine Lebensdauer von drei Jahren zugeschrieben. Hinzu kommen die Kosten der Wasserzuführung von außen. Ein Grünhaus hat ungefähr 500 m². Für einen Feddan benötigt man also sieben Stück. Will man entsprechende Erträge erzielen, muß besonderes Saatgut verwendet werden, das ebenfalls erheblich mehr kostet als die sonst verwendeten Sorten. Bisher ist man hier noch völlig von Importen abhängig.

Die bisher vorliegenden ökonomischen Gutachten zeigen zwar, daß das eingesetzte Geld schnell zurückgewonnen werden kann, aber haben muß man es, um anfangen zu können.

Für Neusiedler und Hochschulabgänger kommt noch hinzu, daß die vorgesehene Technik ziemlich neu und relativ kompliziert ist. Ein flächendeckendes Beratungssystem für die neue Technik existiert noch nicht, obwohl es mittlerweile schon 4.600 Grünhäuser in Ägypten geben soll. Das Ministerium unterhält selbst Produktionseinheiten, die mehreren Zwecken dienen. Die Grünhäuser werden von Ingenieuren betreut, die alle anfallenden Arbeiten selbst ausführen, damit sie auch über ausreichend praktische Erfahrung für ihre spätere Beratungstätigkeit verfügen. Die Grünhäuser sind auch als Demonstrationsobjekte gedacht für interessierte Bauern. Darüber hinaus werden die hier angebauten Früchte sowohl lokal vermarktet als auch exportiert. Die Einnahmen fließen in einen Revolvingfund, aus dem der Import von Saatgut und die anderen Produktionskosten gedeckt werden. Zur Zeit existiert ein Beraterstab von 40 Technikern. Diese besuchen die Genossenschaften und sollen dabei Hilfestellung bei Problemen geben. Von dieser Gruppe werden auch die Genossenschaftstechniker ausgebildet, die das Wissen zu den Siedlern weitertragen sollen. Hier liegt noch eine große Schwäche im neuen Konzept. Die Gefahr liegt ganz einfach darin, daß man siedlungswillige Bauern und Hochschulabsolventen in die Wüste lockt und sie dort nicht ausreichend betreut werden. Gescheiterte Beispiele sind eine schlechte Werbung. Man ist sich bei den Verantwortlichen wohl im klaren über diese Gefahr, aber man sagt, momentan liege der Schwerpunkt noch beim Ausbau der Technologie. Nebenbei bemerkt sind die an dem Projekt Beteiligten mit sehr großem Engagement bei der Sache und von ihr überzeugt. Die Mitarbeiter opfern ohne große Zusatzzahlungen erhebliche Freizeit. Im Büro wird auch Freitag und Samstag gearbeitet und meist bis neun Uhr abends. Eine ungewöhnliche Erfahrung, die hoffen läßt.

Beispiel eines Erfolgreichen

Das folgende Beispiel soll zeigen, wie ein kapitalkräftiger Investor die Sache angeht. Das Beispiel ist sicherlich nicht repräsentativ für die Neusiedler, läßt aber Rückschlüsse zu, für wen die Zukunft auch in der Wüste liegen könnte.

Es handelt sich bei dem Beispiel um zwei Betriebe einer Investmentgesellschaft, die in der South Tahrir Provinz in der Nähe von Sadat City liegen. Die beiden Betriebe liegen etwa zehn Kilometer auseinander.

Der erste Betrieb besteht aus 45 Feddan und ist von der South Tahrir Land Reclamation Company auf fünf Jahre gepachtet. Der Pachtpreis beträgt LE 400 pro Feddan. Der größte Teil der Fläche, 30 Feddan, wird mit Erdbeeren bepflanzt. Die restlichen 15 Feddan sind Baumschulen für Äpfel-, Pfirsich- und Aprikosenbäume.

Die Erdbeerpflanzen werden nur ein Jahr genutzt und jeweils zwischen 1. und 15. Oktober ausgepflanzt. Vor der Auspflanzung werden die Flächen ungefähr 20 Tage mit Sprinklern bewässert. Danach werden die Beete angelegt. Jedes Jahr werden hier rund 100 m³ organischer Dünger in Form von Hühner- und Kuhdung eingearbeitet. Der Kubikmeter kostet LE 15—20. Nach dem Anlegen der Beete wird eine Nematodenbekämpfung vorgenommen.

Nematoden sind Pflanzenschädlinge, die nicht an der Pflanze, sondern im Boden sitzen. Zur Nematodenbekämpfung werden die Beete mit einer Plastikfolie abgedeckt und begast. Die Begasung dauert etwa 48 Stunden pro Beet. Anschließend werden die Erdbeerpflänzchen gesetzt. Insgesamt werden 40.000 Pflanzen pro Feddan ausgepflanzt. Pro Beet vier Reihen leicht versetzt. Die Pflanzen sind zunächst unter der dünnen Plastikfolie, die dann für jede Pflanze eingerissen wird. Darüber kommt dann noch ein kleiner Plastiktunnel über ein Drahtgestell. Dieser Plastiktunnel ist der Schutz gegen Wettereinflüsse. Bei Sonnenschein wird die Plastikfolie des Tunnels zurückgeschlagen, bei schlechtem Wetter bleibt der Tunnel geschlossen. Bewässert wird mit Tröpfchenbewässerung. Dazu werden pro Beet zwei Leitungen verlegt. Jede Leitung versorgt zwei Reihen. Die Leitungen haben selbstregulierende Ventile. Bei hohem Druck schließen sie und bei niedrigem Druck öffnen sie. So ist sichergestellt, daß am Anfang und am Ende des Beetes die gleiche Wassermenge für die Pflanzen zur Verfügung steht. Für die Gesamtfläche stehen zwei Pumpstationen zur Verfügung. Die Pumpstationen sind mit einer zweifachen Filteranlage versehen, die sich jede Stunde selbst reinigt. Das Filtern des Wassers ist deswegen so wichtig, weil bei der Verwendung von Tröpfchenbewässerung keine Schwebeteilchen im Wasser enthalten sein dürfen. Über das Bewässerungssystem erfolgt auch die mineralische Düngung. Die Anlagen sind aus Israel importiert und jede Anlage wird permanent von zwei Technikern überwacht.

Die Ernte beginnt etwa Mitte Dezember. Da etwa 50% nach Europa exportiert werden, muß dafür gesorgt werden, daß die Qualitätsanforderungen erfüllt werden. Dazu werden die Pflücker besonders angelernt. Jeder Pflücker erhält ein Sammelbrett für eine Lage Erdbeeren. Das Brett ist mit Schaumstoff belegt. Die Erdbeeren müssen mit Stiel gepflückt werden, damit durch Anfassen keine Druckstellen entstehen. Die gepflückten Erdbeeren werden an speziell angefertigten Sortiertischen nach Qualität getrennt. Für den Export werden Schalen mit 250g gefüllt und jeweils vier Schalen in einen Karton gepackt. Die Kartons werden mit Kühlcontainern direkt zum Flughafen in Kairo transportiert. Aufgrund guter Beziehungen zum hiesigen Zoll dauert die Abfertigung meist nicht länger als eine Stunde.

Dieses relativ komplizierte Verfahren verlangt eine gute Organisation und zuverlässige Mitarbeiter. Darüber hinaus entstehen nicht unerhebliche Kosten. Der Betrieb hat 15 fest angestellte Agraringenieure und Techniker und besitzt drei eigene Kühlcontainer. Der Lastwagen wird jeweils angemietet. Eine Besonderheit ist hier, daß ein israelischer Agraringenieur, der als Erdbeerspezialist gilt, die gesamte Produktion überwacht. Sein Gehalt beläuft sich auf US-$ 100 pro Tag. Die benötigten Arbeiter werden jeweils als Tagelöhner angeheuert. Weitere Kosten entstehen durch die Nematodenbehandlung und das Plastik für den Tunnel. Zusammengenommen macht das jedes Jahr pro Feddan etwa LE 7.000 aus, ohne Gehälter, Bewässerungsanlage, Kühlcontainer und Fracht.

Der Ertrag pro Feddan liegt bei 13 Tonnen. Trotz dieses überdurchschnittlichen Ertrages lohnt sich die Sache aber nur richtig durch den Export. Von der Ernte werden rund 50% exportiert. Der Rest wird auf dem lokalen Markt abgesetzt. Durch den Export läßt sich ein durchschnittlicher Verkaufspreis von US-$ 2.000 pro Tonne erzielen. Die Luftfracht für den Export kann in lokaler Währung gezahlt werden. An den Zahlen kann man ablesen, daß kreative Unternehmer, die ein kalkuliertes Risiko eingehen und eine funktionierende Organisation sicherstellen können, auch mit Landwirtschaft in der Wüste interessante Profite erwirtschaften können.

Die Erfahrungen aus diesem Betrieb bewogen den Besitzer der Firma dieses Jahr noch stärker in die Wüste zu investieren. Etwa zehn Kilometer vom ersten Betrieb entfernt wurden 450 Feddan gekauft. Der Kaufpreis pro Feddan lag zwischen LE 6.000—12.000. Seit Februar wird intensiv auf dieser Fläche gearbeitet. Bisher sind rund 150 Feddan bebaut. Die hier angebauten Früchte sind nur für den Export bestimmt. Hier findet auch die Erdbeeranzucht für den ersten Betrieb statt. Neben der Erdbeeranzucht wurden bisher Weintrauben, grüner Spargel, Knoblauch, Artischocken, Bananen und Bananenanzucht angelegt. Die Bananenanzucht erfolgt in speziellen Grünhäusern. Die Setzlinge kommen per Flugzeug aus Israel und werden dann einzeln in Plastiksäckchen gepflanzt Im Bananenanbau wird hier ein neues System getestet. Die Stauden werden nur ein Jahr genutzt und jeweils neu angepflanzt. Das traditionelle Verfahren sieht eine Nutzung von vier bis fünf Jahren pro Staude vor. Bei dem neuen Verfahren baut man ebenfalls auf israelische Erfahrungen und arbeitet eng mit der Firma zusammen, die die Setzlinge liefert. Hier arbeitet ebenfalls ein israelischer Agraringenieur, der von der Firma zur Verfügung gestellt wurde und hier von der Investmentgruppe bezahlt wird. Bezüglich der israelischen Berater hofft man, sie nach zwei bis drei Jahren mit eigenen Leuten ersetzen zu können. Die Spargel- und Weintraubensorten wurden aus den USA importiert. Für die Traubensorte wurde das Alleinimportrecht gesichert. In der Bananenanzucht wird sehr große Sorgfalt angewendet. Bei den Setzlingen wird täglich die Düngerzuführung und Düngerauswaschung sowie der ph-Wert überwacht.

Die bisher hier geleistete Arbeit ist sehr beeindruckend. Innerhalb einer solch kurzen Zeit 150 Feddan zu kultivieren, ist eine ungeheuer große Leistung. Was die Investitionen in dieses Projekt betrifft, so kann man davon ausgehen, daß mit dem Ankauf der Fläche und der Kultivierung von 150 Feddan bisher rund sechs Millionen ägyptische Pfund notwendig waren. Interessant am Rande ist an diesem Betrieb, daß hier nur ein Traktor vorhanden ist. Bei Bedarf werden die benötigten Maschinen angemietet.

Zusammenfassend kann man sagen, es gibt unter den beschriebenen Bedingungen sicherlich eine landwirtschaftliche Zukunft in der Wüste, aber nicht für alle. Kapitalkräftige Anleger können auch hier ihr Kapital mehren. Für weniger gut ausgestattete Interessenten besteht die große Gefahr, daß die entstehenden Produktionskosten unterschätzt werden und ihnen "die Luft ausgeht".

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Punkt Punkt Punkt

   

Der Toshka-Kanal, Teil eines Jahrhundertprojekts
(ohne Autorenangabe und Gewähr)

Papyrus-Logo Nr. 3—4/98, pp. 17—21

Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Man baut einen Kanal, bewässert die Wüste, das Land wird blühen. Millionen Menschen werden kommen, Häuser bauen, Familien gründen und das Land bestellen: damit wird die Ernährung sichergestellt. Fabriken werden entstehen, um die Beschäftigung zu garantieren. Die Überbevölkerung und somit die Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit in den Städten verschwinden.
Es ist nicht das erste Mal, daß Menschen versuchen, die Wüste zu besiegen. Die ägyptische Regierung hat 1996 begonnen, einen Kanal vom Nasser See bis zur Kattara Senke zu bauen, um einen Teil der westlichen Wüste zu bewässern. Mit dem Bau des Toshka-Kanals wird versucht, das ackerbare Land Ägyptens von ca. 5% auf 25% zu erhöhen.
Die veranschlagte Summe für das Projekt beträgt 90 Milliarden US-$, 1,6 Milliarden davon wurden für den Bau des Kanals und der Pumpstation veranschlagt. Die Pumpstation gilt als die größte der Welt und wird in der Lage sein, täglich bis zu 30 Milliarden Liter Wasser in ca. 20 Meter Höhe zu pumpen, das dann mit eigenem Gefälle durch die Wüste in Richtung Norden fließt. Der Rest der 90 Milliarden bleibt für die Infrastruktur, inklusive Städte, Flughäfen, Schulen und Krankenhäuser. Es wird versucht, private Investoren für ca. 80% der Kosten für die Infrastruktur zu gewinnen.

Jährlich werden bis zu 5 Milliarden Kubikmeter Wasser in den neuen Kanal fließen. Doch das Land hat nicht einen einzigen Tropfen der 55,5 Milliarden Kubikmeter übrig, die ihm laut dem Vertrag mit dem Sudan von 1959 zur Verfügung stehen.
Experten warnen vor den ökologischen Auswirkungen auf das Niltal, wenn dem Fluß diese Mengen von Wasser entnommen werden, und somit der Wasserstand im Nil sinkt.

Es gibt auch Kritiker zu diesem Projekt, die behaupten, Ägypten sei im Moment nicht in der Lage, ein solches Projekt zu finanzieren, außerdem könnte diese Summe an Investitionen besser verwendet werden.
Selbst wenn das Kanal-Projekt erfolgreich sein wird, bleibt die Frage, ob die Ägypter ihre sieben Sachen zusammenpacken und ins "Neue Tal" ziehen werden. Einige dieser Satellitenstädte wie 6. Oktober, 10th of Ramadan oder Sadat City blieben bis heute Geisterstädte, trotz Ruhe, frischer Luft und der Aussicht auf Arbeit. Die Ägypter gelten als sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, ihre gewohnte Umgebung, ihre Familie und Freunde für etwas Unbekanntes zu verlassen.

Die ersten 30 Kilometer des Kanals sind gegraben. Enorme Erdbewegungen waren hierfür notwendig. Hunderte Tonnen Sprengstoff wurden gezündet, um die Rinne durch teilweise felsiges Terrain zu treiben. Die Rinne ist an der Oberkante ca. 60 Meter und am Fuß ca. 30 Meter breit. Die Tiefe beträgt ca. 8 Meter.

Der Bau des Kanals bietet viele Arbeitsplätze, jedoch um welchen Preis? Staub und die Hitze im Sommer erschweren die Bedingungen für die Arbeiter. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche fressen sich die Erdbewegungsmaschinen durch die Wüste, und schwere LKWs transportieren die Sand- und Gesteinsmassen aus dem Kanal und schütten diese, Abräumhalden gleich, am Rande wieder auf.
Pausenlos hängt eine dichte Staubwolke über der Baustelle. Um die Atemwege wenigstens geringfügig vor dem Staub zu schützen, wickeln sich die LKW-Fahrer und Baumaschinenführer ihre Schals um den Kopf, um Mund und Nase zu bedecken. Trotzdem müssen nicht wenige ihren Job nach einiger Zeit wieder aufgeben, da sie beginnen, Blut zu spucken.

Die Arbeiter sind in allem untergebracht, was zur Unterbringung dienen kann, Zelte, abgewrackte Aufbauten von Armee-LKWs, Frachtcontainer und wenige sogar in Wohncontainern. Es ist nicht selten, daß sich 24 Mann einen 20'Container teilen, in dem sich 12 Schlafstellen befinden. Denn geschlafen wird wie gearbeitet, in zwei Schichten.

Damit nicht zusätzlich zu der enormen Verdunstung auch noch Unmengen durch die Versickerung verlorengehen, wird der ganze Kanal als Betonrinne geführt.
Während ein Teil der Betonarbeiten maschinell mit Transportbeton durchgeführt wird, wird ein anderer Teil in der bekannten "Baladi-Weise" ausgeführt, wie wir sie an zahlreichen Gebäuden in Kairo beobachten können. Der Zement, Kies und Sand werden mit Gummikübeln in rumpelnde Betonmischer gefüllt und mit gleichem Gerät vor Ort getragen, um dann von Hand verteilt zu werden. Wie überall Ägypten trifft hier modernste Technik auf das Altertum.

Die Pumpstation soll im Jahr 2002 fertiggestellt sein, dann wird das erste Wasser durch die Betonrinne in Richtung Kharga Oase fließen. Für den Bau des ganzen Kanals wurden 15 Jahre veranschlagt.
Bei einem geschätzten Bevölkerungsanstieg auf 85 Millionen im Jahr 2015 muß eine Lösung für das Bevölkerungsproblem gefunden werden. Ob dieses Projekt die Lösung ist oder gar zu einem weitere Problem wird, bleibt abzuwarten.

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